01 - Gnadenlos
der Ausarbeitung der Kriegspläne. Er weiß alles, Roger.«
MacKenzie hob den Kopf und pfiff leise, wie er es in einer solchen Situation zu tun müssen glaubte. »Aber der Mann hier ist kein Vietnamese.«
»Das ist ein Oberst der sowjetischen Luftwaffe, Name unbekannt. Man kann sich leicht denken, was er dort will. Aber jetzt kommt der Hammer.« Ritter gab dem anderen eine Kopie der Meldung der Nachrichtenagentur, in der Zacharias als tot gemeldet wurde.
»Verdammt!«
»Und plötzlich wird alles klar, nicht wahr?«
»Diese Angelegenheit könnte die Friedensgespräche gefährden«, überlegte MacKenzie laut.
Walter Hicks durfte sich am Gespräch nicht beteiligen. Er hatte in solch einer Situation nicht das Recht zu sprechen. Er war ein notwendiger Bestandteil - ein lebendes Tonbandgerät -, und er befand sich einzig zu dem Zweck in dem Raum, seinem Chef eine Mitschrift der Unterredung zu liefern. Die Friedensgespräche gefährden, kritzelte er auf das Blatt, nahm sich die Zeit, die Worte zu unterstreichen, und obwohl es niemandem auffiel, wurden seine Finger, die den Stift hielten, weiß.
»Roger, wir glauben, daß die Männer, die in diesem Lager gefangengehalten werden, verdammt viel wissen. So viel, daß es eine ernste Gefährdung für unsere nationale Sicherheit darstellt. Wirklich, eine ernste«, sagte Ritter. »Zacharias kennt unsere Pläne für den Fall eines Atomkriegs, er hat an SIOP mitgearbeitet. Wir stehen also vor einem ernsten Problem.« Mit seiner bewußten Erwähnung des »Single Integrated Operations Plan« hatte Ritter dem Gespräch eine neue Bedeutung gegeben. Der CIA-Einsatzoffizier überraschte sich selbst damit, wie geschickt er diese Lüge an den Mann brachte. Es konnte ja sein, daß diese Fatzken aus dem Weißen Haus nicht einsehen wollten, daß man die Männer lediglich deshalb herausholen mußte, weil sie Menschen waren. Man mußte die Leute aus der Regierung an ihrem wunden Punkt packen, und die nuklearen Kriegspläne waren der unheiligste Gral in diesem und vielen anderen Tempeln der Regierungsmacht.
»Was haben Sie vor, Bob?«
»Mr. Hicks, nicht wahr?« fragte Ritter, wobei er sich umwandte.
»Ja, Sir.«
»Würden Sie uns bitte entschuldigen.«
Fragend blickte der junge Assistent seinen Chef an. Sein unbeteiligter Gesichtsausdruck verbarg, daß er innerlich betete, bleiben zu dürfen. Doch das wurde ihm nicht gestattet.
»Wally, ich denke, wir machen für einen Augenblick mal allein weiter«, sagte der Sonderberater des Präsidenten. Mit einem Lächeln nahm er dem Hinauswurf seine Schärfe, bevor er zur Tür wies.
»Jawohl, Sir.« Hicks stand auf, verließ den Raum und schloß leise die Tür.
Verflucht, dachte er voller Wut, als er sich wieder an seinen Schreibtisch setzte. Wie sollte er seinen Boß beraten, wenn er nicht wußte was als nächstes besprochen wurde? Robert Ritter, dachte Hicks. Ein Mann, der schon einmal heikle Verhandlungen an einem heiklen Punkt gefährdet hatte, indem er unbedingt einen verdammten Spion aus Budapest herausholen mußte. Aufgrund von dessen Erkenntnissen hatten die Vereinigten Staaten ihre Verhandlungsposition geändert. Und weil die USA aus den Sowjets noch unbedingt was hatten herauskitzeln wollen, obwohl sich diese in ihren Zugeständnissen schon vernünftig wie noch was gezeigt hatten, war der Vertragsabschluß um weitere drei Monate hinausgezögert worden. Dieser Ritter hatte dadurch nicht nur seine Karriere gerettet, sondern war wahrscheinlich noch in der romantischen Auffassung bestätigt worden, daß einzelne Menschen wichtiger waren als der Weltfrieden. Und dabei ging es doch einzig und allein um den Frieden.
Ganz offensichtlich wußte Ritter, wie er Roger nach seiner Pfeife tanzen lassen konnte. Dieses Gerede um geheime Kriegspläne war doch Humbug. Roger hatte die Wände seines Büros mit Fotos aus der guten alten Zeit tapeziert, als er sich mit seinem blöden Flugzeug mitten in die Hölle gestürzt und sich eingeredet harte, er ganz allein würde den Krieg gegen Hitler gewinnen. Auch nur einer dieser dämlichen Kriege, den die Diplomatie hätte verhindern können, wenn man sich auf die wichtigen Themen konzentriert hatte - so wie Peter und er es eines Tages halten würden. Bei dieser Sache ging es nicht um Kriegspläne oder SIOP oder den ganzen anderen Mist von Uniformträgern, mit dem die Leute in dieser Abteilung des Weißen Hauses den lieben langen Tag herumspielten. Es ging um die Männer, verdammt noch mal! Um Männer in
Weitere Kostenlose Bücher