01 - Gnadenlos
zustimmend, und Sarah führte sie nach draußen. Kelly sah zu Sam hinüber.
»Du bist doch ein ziemlich guter Mensch«, verkündete Rosen, zufrieden mit seiner früheren Diagnose von Kellys Charakter. »Kelly, wie weit ist es zum nächsten Ort mit einer Apotheke?«
»Solomons wahrscheinlich. Sollte sie nicht in ein Krankenhaus?«
»Ich lasse Sarah darüber entscheiden, aber ich vermute, es ist nicht nötig.«
Kelly sah auf die Flasche hinunter, die er noch immer in der Hand hielt, »Also, ich werde dieses verdammte Zeug in der Versenkung verschwinden lassen.«
»Nein!« herrschte Rosen ihn an. »Ich nehme sie an mich. Die Dinger haben Seriennummern. Die Polizei kann herausbekommen, welche Lieferung da auf Abwege gebracht worden ist. Ich werde sie auf meinem Boot einschließen.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir warten ein bißchen.«
Sarah und Pam kehrten zwanzig Minuten später zurück und hielten sich wie Mutter und Tochter an den Händen. Pam trug den Kopf wieder oben, aber in ihren Augen glitzerte es noch immer verdächtig.
»Wir haben hier eine Siegerin, Leute«, verkündete Sarah. »Sie hat es schon einen Monat lang ganz allein versucht.«
»Sie sagt, es sei nicht schwer«, meinte Pam.
»Wir können es ungeheuer erleichtern«, versicherte ihr Sarah. Sie gab ihrem Mann eine Liste. »Mach eine Drogerie ausfindig. John, setz dein Boot in Bewegung. Jetzt gleich.«
»Was passiert jetzt?« fragte Kelly dreißig Minuten und fünf Meilen später. Solomons zeichnete sich bereits als braungrüne Linie am nordwestlichen Horizont ab.
»Die Behandlung ist eigentlich recht einfach. Wir geben ihr eine Mindestdosis Barbiturate und entwöhnen sie langsam.«
»Du gibst ihr Drogen, um sie von Drogen runterzubekommen?«
»Genau.« Rosen nickte. »So wird's gemacht. Der Körper braucht Zeit, um die Rückstände im Gewebe herauszuspülen. Er wird von dem Zeug abhängig, und wenn du versuchst, sie zu rasch zu entwöhnen, kann es zu schlimmen Reaktionen kommen, Krämpfe und so. Manche Leute sterben daran.«
»Was?« sagte Kelly aufgeschreckt. »Ich versteh nichts von dem allen, Sam.«
»Wie solltest du? Das ist unser Job, Kelly. Sarah meint, es wäre in diesem Fall kein Problem. Entspann dich, John. Es werden -« Rosen nahm die Liste aus seiner Tasche - »ja, das hab ich mir gedacht, es werden Phenobarbiturate verabreicht, um die Entzugserscheinungen zu mildern. Schau, du bist für das Steuern des Bootes zuständig, nicht?«
»Ja«, sagte Kelly im Umdrehen und wußte schon, was als nächstes kam.
»Dann macht jetzt jeder von uns seinen Job. Einverstanden?«
Dem Mann war nicht sehr nach Schlaf zumute. Die Männer von der Küstenwache mußten es einsehen, ob es ihnen nun gefiel oder nicht. Bevor sie Gelegenheit gehabt hatten, sich von den Strapazen des vergangenen Tages zu erholen, war er auch schon wieder auf, trank Kaffee im Besprechungsraum und überprüfte zum soundsovielten Mal die Karten, während er mit der freien Hand Kreise einzeichnete, die er mit dem Kurs des Einsatzbootes verglich, so wie er ihn noch im Kopf hatte.
»Wie schnell ist ein Segelboot?« fragte er den verärgerten und gereizten Quartermaster Erster Klasse Manuel Oreza.
»Das? - Nicht sehr schnell, mit einer leichten Brise und ruhiger See vielleicht fünf Knoten oder etwas mehr, wenn der Skipper geschickt und erfahren ist. Als Faustregel gilt: eins Komma drei mal die Quadratwurzel der Länge der Wasserlinie ergibt die Bootsgeschwindigkeit, das heißt also für unser Objekt fünf oder sechs Knoten.« Und er hoffte, der Zivilist würde gebührend beeindruckt sein von dieser Kostprobe nautischen Grundwissens.
»Letzte Nacht war es windig«, bemerkte der Beamte mürrisch.
»Ein kleines Boot kommt bei kabbeliger See nicht schneller, sondern langsamer voran. Weil es viel Zeit für die Aufund Abbewegung vertut, statt Fahrt zu machen.«
»Und wie ist es Ihnen dann entkommen?«
»Es ist nicht mir entkommen, verstanden?« Oreza war sich nicht klar, wer dieser Kerl war oder was für einen hohen Rang er in Wirklichkeit bekleidete, aber er hätte so eine Zurückweisung selbst von einem echten Offizier nicht hingenommen - aber ein echter Offizier hätte ihn auch nicht so angefahren; ein echter Offizier hätte zugehört und verstanden. Der Unteroffizier holte tief Luft und hoffte, nur dieses eine Mal, es wäre ein Offizier hier, um die Dinge zu klären. Zivilisten hörten auf Offiziere, was viel über die Intelligenz von Zivilisten aussagte. »Sehen
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