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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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sein, aber sie braucht auf jeden Fall Beistand.«
    Pam kam ein paar Sekunden später wieder ins Zimmer und sagte Kelly, sie hätte etwas auf dem Boot vergessen. Ihre Hände zitterten nicht, aber nur, weil sie sie verschränkt hielt, um sie stillzuhalten. Es war alles so klar, wenn man erst mal wußte, worauf man zu achten hatte. Sie versuchte sich zu beherrschen, was ihr fast gelang, aber Pam war eben doch keine Schauspielerin.
    »Ist es das?« fragte Kelly, die Flasche in der Hand. Die Reaktion auf seine schroffe Frage war wie ein wohlverdienter Messerstich direkt ins Herz.
    Pam antwortete eine Weile gar nichts. Ihr Blick heftete sich auf den braunen Plastikbehälter, und Kelly sah zunächst nichts als diesen plötzlichen, hungrigen Ausdruck, als würden ihre Gedanken bereits nach der Flasche langen, eine oder mehr Tabletten herausgreifen und sich auf das freuen, was ihr das verdammte Zeug gab, wobei sie sich um die ändern im Zimmer nicht kümmerte, ja sie nicht einmal wahrnahm. Dann packte sie die Scham, die Erkenntnis, daß das Bild, das sie den anderen hatte vermitteln wollen, jäh auseinanderfiel. Doch am schlimmsten war, daß ihr Blick, nachdem er Sam und Sarah gestreift hatte, sich wieder auf Kelly richtete und zwischen seiner Hand und seinem Gesicht hin und her flatterte. Zuerst stritten Gier und Scham miteinander, doch die Scham gewann, und als sich ihr Blick in den seinen bohrte, hatte sie den Gesichtsausdruck eines Kindes, das bei einem bösen Streich ertappt worden ist. Das aber reifte zu etwas anderem, als sie sah, daß etwas, was Liebe hätte werden können, sich quasi zwischen zwei Herzschlägen in Verachtung und Abscheu verwandelte. Ihr Atem veränderte sich augenblicklich, wurde schneller, dann unregelmäßig, als das Schluchzen einsetzte und sie erkannte, daß sie sich selbst in ihrem Innersten am meisten verabscheute, denn auch eine Drogenabhängige muß nach innen schauen, sich aber überdies durch die Augen anderer zu betrachten, macht die Sache noch um einiges grausamer.
    »Es t-t-tut mir leid, Kel-el-ly. Ich hab dir nicht gesagt... « versuchte sie zu stammeln, während sie regelrecht in sich zusammenfiel. Pam schien vor den Augen der anderen zusammenzuschrumpfen, als sie ihre vermeintliche Chance sich in Luft auflösen sah, und hinter dieser sich verflüchtigenden Wolke war nur Verzweiflung. Pam wandte sich schluchzend ab, denn sie konnte dem Mann, den sie zu lieben begonnen hatte, nicht mehr in die Augen sehen.
    John Terence Kelly mußte sich nun entscheiden. Er konnte sich betrogen fühlen, oder er konnte ihr das gleiche Mitgefühl entgegenbringen, das sie vor nicht einmal zwanzig Stunden ihm bekundet harte. Ihr Blick gab den Ausschlag, diese ihr ins Gesicht geschriebene Scham, Er konnte nicht einfach nur so dastehen. Er mußte etwas tun, sonst würde sein eigenes stolzes Selbstbild sich ebenso schnell und unaufhaltsam auflösen wie ihres.
    Nun füllten sich auch Kellys Augen mit Tränen. Er ging zu ihr, schlang die Arme um sie, damit sie nicht umkippte, wiegte sie wie ein Kind und zog ihren Kopf an seine Brust, denn jetzt war es an der Zeit, für sie stark zu sein. Jeder andere Gedanke mußte jetzt erst einmal zurückstehen, und selbst der widerstrebende Teil seines Verstandes weigerte sich, in diesem Augenblick sein Ich hab's dir ja gesagt zu krächzen, denn er hielt einen Menschen in den Armen, der verletzt worden war, und es war für solche Zweifel gerade wirklich nicht der richtige Moment. Ein paar Minuten standen sie so zusammen, während die anderen mit einer Mischung aus persönlichem Unbehagen und professioneller Gelassenheit zusahen.
    »Ich hab's versucht«, sagte sie auf einmal. »Ich hab's wirklich - aber ich hatte solche Angst.«
    »Ist schon gut«, beruhigte Kelly, der nicht genau verstanden hatte, wovon sie eigentlich sprach. »Du bist für mich dagewesen, und nun bin ich an der Reihe, für dich dazusein.«
    »Aber... « Wieder fing sie zu schluchzen an, und sie brauchte etwa eine Minute, bis sie darüber hinweg war. »Ich bin nicht das, für was du mich hältst.«
    Kelly ließ ein Lächeln sich in seine Stimme stehlen, während er auch diese zweite Warnung außer acht ließ. »Du weißt doch gar nicht, für was ich dich halte, Pammy. Es ist okay. Wirklich.« Er hatte sich so stark auf das Mädchen in seinen Armen konzentriert, daß er gar nicht bemerkt hatte, wie Sarah Rosen neben ihn getreten war.
    »Pam, wie wär's, wenn wir einen kleinen Spaziergang machen?« Pam nickte

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