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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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In dem Blick, den sie Dr. Rosen zuwarf, drückte sich die höchste Befriedigung aus, die Leute in ihrem Beruf empfinden können. Die beiden Frauen bissen sich auf die Lippen, während ihre Augen feucht wurden.
    »Laß uns reingehen, Liebes«, sagte Raymond Brown und führte seine Tochter die Stufen hoch. Er wollte sie in seinem Haus, unter seinem Schutz wissen. Die anderen beiden Frauen folgten, ohne darum gebeten worden zu sein.
    Das Wohnzimmer war überraschend dunkel. Da er tagsüber schlief, hatte Mr. Brown dicke Vorhange anbringen lassen und an diesem Tag vergessen, sie aufzuziehen. Der Raum war vollgestopft mit Möbeln aus den Vierzigern, kleinen Mahagonitischen mit Spitzendeckchen. Und auf allen freien Flächen standen gerahmte Fotos. Eine Frau, die nicht mehr lebte. Ein Sohn... Und eine verlorene Tochter. In der sicheren Abgeschiedenheit des Hauses umarmten sich Vater und Tochter erneut.
    »Liebes«, sagte er, wie er es seit Tagen geübt hatte. Was ich damals gesagt habe - ich war im Unrecht. Es war alles so furchtbar falsch.«
    »Ist schon gut, Daddy. Vielen Dank... daß ich -«
    »Doris, du bist doch mein kleines Mädchen!« Mehr brauchte er nicht zu sagen. Sie blieben lange umschlungen stehen, bis sich Doris kichernd freimachte.
    »Ich muß mal wohin.«
    »Du weißt ja, wo das Badezimmer ist«, sagte ihr Vater während er sich die Augen wischte. Doris verließ den Raum und stieg die Treppen in den ersten Stock hoch. Derweilen wandte sich Raymond Brown seinen Gästen zu.
    »Ehem, also, ich habe was zu essen vorbereitet.« Er hielt unsicher inne. Dies war nicht der Zeitpunkt für Höflichkeiten oder überlegte Worte. »Ich weiß nicht, was man in solch einer Situation sagt.«
    »Das ist schon in Ordnung.« Sarah hatte ihr gütiges Ärztinnenlächeln aufgelegt, das ihm suggerierte, es sei alles in Ordnung, obwohl das eigentlich nicht ganz stimmte.
    »Aber wir müssen etwas besprechen. Das ist übrigens Sandy O'Toole. Sie ist Krankenschwester und hat mehr als ich dazu beigetragen, daß Ihre Tochter nun wieder gesund ist.«
    »Guten Tag«, sagte Sandy, und sie schüttelten sich alle die Hände.
    »Doris braucht noch viel Hilfe, Mr. Brown«, erklärte Dr. Rosen. »Sie hat eine entsetzliche Zeit hinter sich. Können wir das kurz besprechen?«
    »Natürlich. Bitte nehmen Sie Platz. Möchten Sie etwas trinken?« fragte er beflissen.
    »Ich habe Ihre Tochter bei einer Ärztin in Pittsburgh angemeldet. Sie heißt Dr. Michelle Bryant und arbeitet in der Psychiatrie -«
    »Soll das heißen, Doris ist... krank?«
    Sarah schüttelte den Kopf. »Nein, nicht richtig. Aber sie hat Schlimmes erlebt, und unter guter medizinischer Betreuung kann sie das besser bewältigen. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ich mache alles, was Sie für richtig halten. Durch meine Firma habe ich eine gute Krankenversicherung. Also ist alles abgedeckt.«
    »Darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen.
    Michelle sieht das Ganze als kollegiale Gefälligkeit. Sie müssen mit Doris in ihre Praxis gehen. Außerdem müssen Sie sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß Doris schreckliche Dinge erlebt hat, einfach entsetzliche Dinge. Sie wird zwar wieder gesund - ganz gesund sogar, aber dazu müssen auch Sie Ihren Teil beitragen. Michelle kann das alles besser erklären als ich. Was ich sagen will, Mr. Brown, ganz gleich, was dabei ans Tageslicht kommt, bitte -«
    »Frau Doktor«, unterbrach er sie leise. »Sie ist meine Tochter. Und sie ist alles, was mir noch geblieben ist. Ich werde nicht... wieder alles kaputtmachen und sie womöglich noch einmal verlieren. Nicht um alles in der Welt.« »Mehr wollte ich von Ihnen gar nicht hören, Mr. Brown.«
    Kelly erwachte um ein Uhr nachts Ortszeit. Glücklicherweise hatte das ungewohnte Quantum Whiskey keinen Kater verursacht. Er fühlte sich sogar erstaunlich gut erholt. Das sanfte Schaukeln des Schiffs hatte ihn während der durchschlafenen 24 Stunden beruhigt, und in der Dunkelheit seiner Offizierskajüte hörte er das leise Knirschen des Stahls, der aneinander gerieben wurde, als die USS Ogden nach Backbord abdrehte. Er machte sich auf den Weg in die Dusche, wo er mit kaltem Wasser seine Lebensgeister weckte. Nach zehn Minuten war er angezogen. Es war Zeit, das Schiff zu erkunden.
    Kriegsschiffe schlafen nie. Obwohl die meisten komplizierteren Arbeiten bei Tageslicht erledigt wurden, sorgte auch hier der unumstößliche Wachturnus der Navy dafür, daß immer

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