01 - Gnadenlos
auf U-Booten. Gleichzeitig war es so sauber und so fremdländisch wie er hier an diesem Ort.
Um Viertel vor vier flackerte im Schlafquartier gelbes Licht wie von Kerzen auf. Wahrscheinlich die Wachablösung. Die beiden Soldaten in dem ihm am nächsten stehenden Turm streckten sich und unterhielten sich beiläufig. Kelly konnte ihr Gemurmel gerade noch ausmachen, aber keine Worte oder Satzmelodien unterscheiden. Sie langweilten sich, kein Wunder bei diesem Dienst. Vielleicht nörgelten sie auch ein bißchen darüber, aber nicht besonders viel. Die Alternative wäre, auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad bis nach Laos zu wandern, und obwohl sie durchaus Patrioten waren, würde nur ein Volltrottel diesen Weg wählen. Hier bewachten sie etwa zwanzig Männer, die in individuelle Zellen eingesperrt und womöglich noch an die Wand gekettet oder sonstwie gefesselt waren. Deren Fluchtchancen in diesem Lager waren genauso hoch wie die, daß Kelly auf dem Wasser wandeln konnte - und selbst wenn sie dieses unmöglichste aller Kunststücke fertig brächten, was wären sie dann? Zwei Meter große Weiße in einem Land mit kleinen gelben Menschen, von denen kein einziger einen Finger für sie rühren würde. Das Staatsgefängnis Alcatraz konnte nicht sicherer sein. Also hatten die Wächter drei Schichten pro Tag und einen ziemlich langweiligen Dienst, der bestimmt ihre Aufmerksamkeit einlullte.
Gut so, sagte Kelly im stillen, langweilt euch nur tüchtig, Jungs.
Die Tür der Mannschaftsunterkunft öffnete sich. Acht Männer kamen heraus. Kein wachhabender Offizier bei der Abteilung. Das fiel auf, weil es überraschend nachlässig für die NVA war. Sie teilten sich in Paare auf und strebten den vier Türmen zu. Völlig erwartungsgemäß stieg erst die Ablösung nach oben, bevor die den Dienst beendende Gruppe herunterkam. Ein paar Bemerkungen wurden ausgetauscht, dann kamen die abgelösten Soldaten herunter. Zwei rauchten und redeten noch miteinander am Eingang. Alles in allem bot sich Kelly hier das Bild einer gemütlichen und durchweg normalen Routine von Männern, die schon seit Monaten das gleiche taten.
Halt mal. Zwei hinken, erkannte Kelly. Veteranen. Das war sowohl gut wie schlecht. Leute mit Kampferfahrung waren anders. Wenn es hier rundging, würden sie wahrscheinlich flink reagieren. Selbst ohne kürzliches Training würde sich ihr Instinkt einschalten, und sie würden auch ohne Anweisung von oben wirkungsvoll zurückzuschlagen versuchen. Aber als Veteranen mußten sie auch nachgiebiger sein, ihres Dienstes überdrüssig, wie gemütlich er auch sein mochte, und sollten nicht den unangenehmen Eifer frischer, junger Rekruten haben. Wie jedes Schwert war auch dieses zweischneidig. In beiden Fällen ließ der Angriffsplan Spielraum genug. Leg die Leute ohne Vorwarnung um, dann kommt ihre Ausbildung gar nicht erst ins Spiel, und alles wird erheblich leichter.
Jedenfalls hatte es eine Fehlannahme gegeben. Die zur Bewachung von Kriegsgefangenen verpflichteten Soldaten waren gewöhnlich zweite Garnitur. Die hier hatten zumindest Kampferfahrung, auch wenn sie Verwundungen erlitten hatten, die sie zum Etappendienst verbannten. Noch irgendwelche Fehler? fragte sich Kelly. Bis jetzt waren ihm keine weiteren aufgefallen.
Seine erste Funkmeldung von Belang bestand aus einer einzigen Codemeldung in Morsezeichen.
»Neues von EASY SPOT, Sir.« Der Funker tippte gerade eine Bestätigung.
»Gutes?« fragte Kapitän Franks.
»Nur, daß alles wie erwartet ist und es keine besonderen Vorkommnisse gibt«, erwiderte Admiral Podulski. Maxwell hatte sich kurz aufs Ohr gelegt. Cas würde nicht schlafen, bevor der Einsatz vorüber war. »Unser Freund Clark hat sie auch genau rechtzeitig übermittelt.«
Oberst Glasow haßte es genauso wie seine westlichen Gegenspieler, am Wochenende zu arbeiten, und das um so mehr, als er es einem Fehler seines Verwaltungsassistenten zu verdanken hatte, dem ausgerechnet dieser eine Bericht auf den falschen Stapel geraten war. Wenigstens hatte der Bursche es zugegeben und seinen Chef zu Hause angerufen, um den Fehler zu melden. Glasow konnte eigentlich nicht viel mehr tun, als das Versehen zu tadeln, denn zugleich mußte er die Aufrichtigkeit und den Pflichteifer des Burschen loben. Er fuhr mit seinem Privatwagen von seiner Datscha aus nach Moskau, parkte hinter dem Gebäude und unterzog sich kurz darauf der langwierigen Sicherheitsüberprüfung, bevor er den Aufzug nach oben nehmen konnte. Dann mußte er sein Büro
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