Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
hatte. Er wußte nur, daß eine Ärztin und eine Schwester in Baltimore sein Gemeindemitglied gesundheitlich wiederhergestellt hatten. Er wußte jedoch nicht, wie Doris überhaupt in diese Lage versetzt worden war, und Meyer nahm an, daß sie, dem fast geglückten Beispiel Pams folgend, geflohen war. Und er wußte auch nicht, daß Dr. Bryant eingeschärft worden war, alle diese Informationen für sich zu behalten. Das hätte allerdings nichts geändert. Es blieben immer noch andere Mädchen in der Gewalt dieses Billy und seines Freundes Rick. So, wie er sein Leben dem geweiht hatte, Luzifer Seelen zu verweigern, so hatte er auch die Pflicht, ihm ihre Körper vorzuenthalten. Er mußte auf der Hut sein. Eine solche Unterredung war im tiefsten Sinne ein Privileg. Er würde Doris den Rat geben, sich an die Polizei zu wenden, wenn er sie auch nicht dazu zwingen konnte. Doch als Bürger, als Gottesmann, mußte er irgend etwas unternehmen, damit diesen anderen Mädchen geholfen wurde. Wie das gehen sollte, war ihm noch nicht klar. Er würde seinen Sohn deswegen um Rat fragen, der bei der Polizei in Pittsburgh als junger Sergeant Dienst tat.
    Da. Kellys Kopf tauchte nur so weit aus dem Wasser auf, daß die Augen hervorschauten. Er riß sich mit den Händen die Gummikapuze vom Kopf, damit seine Ohren die Geräusche hier in der Gegend besser aufnahmen. Es gab jede Menge Geräusche. Insekten, flügelschlagende Fledermäuse und am lautesten der Regen, auch wenn es im Augenblick nur leicht nieselte. Im Norden lag Dunkelheit, die vor seinen allmählich angepaßten Augen in einzelne Gebilde zerfiel. Dort war »sein« Hügel, etwa gut einen Kilometer hinter einer niedrigen Erhebung. Von der Luftaufnahme her wußte er, daß es zwischen hier und seinem Bestimmungsort keine Behausungen gab. Nur hundert Meter entfernt lag eine Straße, derzeit vollkommen leer. Es war so still, daß jedes mechanische Geräusch sicherlich zu ihm gedrungen wäre. Aber er hörte nichts. Es war Zeit.
    Kelly steuerte den Schlitten an die Böschung heran. Er suchte sich eine Stelle mit überhängenden Bäumen aus, um zusätzliche Deckung zu haben. Der erste körperliche Kontakt mit nordvietnamesischem Boden fühlte sich an, als würde er von einem Stromschlag durchzuckt. Aber die Spannung ließ sofort wieder nach. Kelly streifte den Taucheranzug ab und stopfte ihn in den wasserdichten Behälter des nun aufgetauchten Schlittens. Rasch zog er seinen Tarnanzug an. Die Dschungelstiefel hatten Sohlen, die genau den in der NVA verwendeten entsprachen, falls jemand unvermutet auf seine Spuren stoßen sollte. Dann schminkte er sich, dunkelgrün auf Stirn, Wangen und Kiefer, hellere Farben unter die Augen und in den Wangengruben. Er schulterte seine Ausrüstung und legte den Stromschalter des Schlittens um, der in die Mitte des Flusses abtrieb. Die geöffneten Flutkammern ließen ihn auf Grund sinken. Kelly bemühte sich, ihm nicht nachzusehen. Es brachte Unglück, fiel ihm ein, wenn man die Hubschrauber beim Abheben von der Landezone beobachtete. Es zeugte von mangelnder Entschlußkraft. Kelly drehte sich dem Land zu und lauschte wieder, ob auf der Straße Verkehr war. Da er nichts hörte, kletterte er die Böschung hoch und überquerte sofort den Schotterweg, verschwand im Nu im dichten Blattwerk und bewegte sich langsam und zielstrebig den Hügel hinauf.
    Hier wurde Brennholz für Kochfeuer geschlagen. Das war beunruhigend - ob wohl morgen hier Leute Holz fällten? -, aber auch hilfreich, da es ihm ein rascheres und leiseres Vorankommen ermöglichte. Er ging tief gebückt, achtete besonders darauf, wo er hintrat, während er beim Gehen beständig Augen und Ohren offenhielt. Den Karabiner hatte er in der Hand. Mit dem Daumen fühlte er nach dem Sicherungshebel, der noch nicht umgelegt war. Im Lauf steckte eine Kugel. Das hatte er bereits nachgeprüft. Der Navy Chief hatte die Waffe ordentlich vorbereitet, würde aber verstehen, daß Kelly sich mit eigenen Augen vergewissern mußte. Doch eines wollte Kelly gerade nicht, nämlich eine einzelne Kugel aus seinem CAR-15 abfeuern.
    Eine halbe Stunde lang kletterte Kelly den ersten Hügel hoch. Er hielt oben an, als er auf eine freie Stelle traf, von der aus er seine Umgebung beobachten und lauschen konnte. Es ging auf drei Uhr morgens zu. Die einzigen Leute, die jetzt wach waren, mußten es sein, und das würde ihnen nicht besonders gefallen. Der menschliche Körper war an einen Tag/Nacht-Zyklus angepaßt, und um diese

Weitere Kostenlose Bücher