01 - Gnadenlos
Salem ins Gras. »Das sind ganz schön schwere Fälle, Paps.«
»Es ist sogar schlimmer«, berichtete sein Vater noch leiser. »Sie bringen die Mädchen nicht einfach um. Nein, sie foltern und vergewaltigen sie. Es ist ganz entsetzlich. Die Betreffende ist deswegen in Behandlung. Ich weiß, daß ich was unternehmen muß, aber ich kann nicht... «
»Jaja, ich weiß, daß es nicht geht. Also gut, ich kann die Leute in Baltimore anrufen und sie davon unterrichten, was du mir mitgeteilt hast. Eigentlich sollte ich noch warten, bis wir denen etwas wirklich Brauchbares liefern können, aber, wie du sagst, wir müssen etwas unternehmen. Ich werde sie morgen früh gleich als erstes anrufen.«
»Würde es Doris - ähm, die Betreffende - in Gefahr bringen?« fragte Reverend Meyer, böse auf sich selbst, weil es ihm nun doch rausgerutscht war.
»Eigentlich nicht«, vermutete Peter, »Wenn sie sich davongemacht hat - ich meine, die dürften eigentlich nicht wissen, wo sie ist, und wenn doch, dann hätten sie sie bereits erwischt.«
»Wie können Menschen nur so etwas tun?«
Peter zündete sich noch eine an. Sein Vater, überlegte er, war einfach ein zu guter Mensch, um das zu verstehen. Es ging ja nicht einmal ihm selbst in den Kopf. »Papa, ich seh so was die ganze Zeit, und ich hab schon Schwierigkeiten, es zu glauben. Wichtig ist, die Scheusale dingfest zu machen.«
»Ja, das glaube ich auch.«
Der KGB-Rezident in Hanoi hatte den Rang eines Generalmajors, und seine Aufgabe bestand hauptsächlich im Ausspionieren der vermeintlichen Verbündeten seines Landes. Was waren deren wirkliche Ziele? War ihr scheinbares Abrücken von China echt oder vorgetäuscht? Würden sie mit der Sowjetunion zusammenarbeiten, wenn und sobald der Krieg erfolgreich beendet war? Würden sie der sowjetischen Marine nach dem Abzug der Amerikaner die Benutzung eines Stützpunktes gestatten? War ihre politische Entschlossenheit wirklich so unumstößlich, wie sie behaupteten? Das waren alles Fragen, auf die er schon die Antworten in der Tasche zu haben meinte, aber Anweisungen aus Moskau sowie seine eigene Skepsis allem und jedem gegenüber zwangen ihn dazu, beharrlich weiterzufragen. Er hatte Agenten innerhalb des Außenministeriums und auch anderswo für sich arbeiten, Vietnamesen, deren Informationsbereitschaft selbst einem Verbündeten gegenüber ihnen womöglich den Tod einbringen konnte - obwohl diese Tode, um es ganz klar zu sagen, als »Selbstmorde« oder »Unfälle« getarnt werden würden, denn es lag schließlich nicht im Interesse eines der beiden Länder, einen förmlichen Bruch zu provozieren. Lippenbekenntnisse waren in einem sozialistischen Land noch wichtiger als in einem kapitalistischen, das wußte der General, denn Symbole ließen sich weitaus leichter schaffen als die Wirklichkeit.
Die verschlüsselte Botschaft auf seinem Schreibtisch war interessant, und zwar vor allem deswegen, weil sie keine genaue Anweisung enthielt, wie er sich verhalten sollte. Das sah den Moskauer Bürokraten wieder ähnlich. Sonst waren sie immer schnell zur Hand, sich in Sachen einzumischen, die er selbst erledigen konnte, aber jetzt wußten sie nicht, was sie tun sollten - aber sie hatten Angst, untätig zu sein. Also bürdeten sie ihm alles auf.
Er wußte natürlich von dem Lager. Auch wenn es eine Sache des militärischen Geheimdienstes war, hatte er doch seine Leute im Büro des Attaches, der ihm ebenfalls unterstand. Der KGB beobachtete schließlich jeden, das war seine Aufgabe. Oberst Grischanow wandte ungewöhnliche Methoden an, aber er hatte gute Ergebnisse vorzuweisen, bessere, als das Büro des Generals von diesen kleinen Wilden erhielt. Nun war der Oberst mit der aberwitzigsten Idee überhaupt aufgekreuzt. Anstatt die Gefangenen zu entsprechender Zeit von den Vietnamesen umbringen zu lassen, sollten sie heim zu Mütterchen Rußland gebracht werden. Es war auf seine Art brillant, und der KGB-General stand vor der Frage, ob er den Vorschlag tatsächlich nach Moskau weiterleiten sollte, wo diese Entscheidung sicherlich bis hinauf zur Ministerebene, womöglich sogar bis zum Politbüro gelangen würde. An sich hatte die Idee ihre Vorzüge, dachte er... und das entschied die Angelegenheit.
So erfreulich es für die Amerikaner wäre, ihre Leute mit diesem Unternehmen BOXWOOD GREEN zu retten, und so sicher es auch den Vietnamesen wieder einmal zeigen würde, daß sie als ausgesprochener Satellitenstaat enger mit der Sowjetunion zusammenarbeiten
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