01 - Gnadenlos
ging ins Ruderhaus und nahm das Mikrofon. »Hier spricht Einundvierzig-Alpha.«
»Einundvierzig-Alpha, hier spricht English von Thomas Point. Ihre Fahrgäste warten am Dock in Dame's Choice. Wahrscheinlich sehen Sie die Streifenwagen schon von weitem. Wann können Sie da sein?«
»Schätze, in zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten, Mr. English.«
»Alles Roger, over.«
»Wieviel Faden?« fragte Oreza nach einem Blick auf seine Karte, Das Wasser sah ziemlich tief aus, »Einsfünfundsechzig.«
»Einsfünfundsechzig, aye aye, Sir.«
Xantha war zwar mehr oder weniger nüchtern, fühlte sich aber ziemlich matschig. Ihr dunkles Gesicht schimmerte grau, und sie klagte über bohrende Kopfschmerzen, denen Tabletten kaum etwas hatten anhaben können. Sie wußte mittlerweile, daß sie festgenommen worden und ihr Vorstrafenregister über den Fernschreiber eingetroffen war. Immerhin war sie gewitzt genug, um zu den Verhören einen Rechtsanwalt zu verlangen. Seltsamerweise hatte das die Polizisten nicht weiter gestört.
»Meine Klientin«, erklärte der Anwalt, »ist bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.« Um diese Zusage zu erreichen, hatte er ganze zehn Minuten gebraucht. Wenn sie die Wahrheit sagte und in kein schweres Verbrechen verwickelt war, würde man die Klage wegen Drogenbesitzes fallenlassen und dafür sorgen, daß sie in ein Entzugsprogramm aufgenommen wurde. Das war weitaus mehr, als Xantha Matthews in den letzten Jahren angeboten worden war. Und schon bald darauf wußte sie auch, warum.
»Die wollten mich umbringen«, sagte sie. Jetzt, wo der Einfluß der Barbiturate abgenommen und der Rechtsanwalt ihr die Erlaubnis zu sprechen gegeben hatte, konnte sie sich plötzlich wieder genau erinnern.
»Wer sind ›die‹?« fragte Captain Joy.
»Die Leichen. Er hat sie einfach abgeknallt, dieser Weiße. Und die Drogen, die ganzen Säcke mit Stoff, hat er stehenlassen.«
»Erzählen Sie uns von dem Weißen«, sagte Joy mit einem Blick zu Freeland, der eigentlich ungläubig hätte ausfallen müssen, es aber nicht war.
»Ein großer Kerl, wie der da -« sie wies auf Freeland »mit einem Gesicht grün wie ein Frosch. Als er mich runtergebracht hat, hat er mir die Augen verbunden. Dann hat er mich zu einem Pier gefahren und gesagt, ich soll den Bus nehmen oder so was in der Art.«
»Woher wissen Sie, daß es ein Weißer war.«
»Von den Handgelenken. Die Hände waren auch grün, aber das hier oben nicht«, sagte sie und zeigte, welche Stelle sie meinte. »Er hatte grüne Klamotten mit Streifen an, so wie ein Soldat, und eine große .45er dabei. Als er geschossen hat, habe ich geschlafen. Er hat mich aufgeweckt. Gesagt, ich soll mich anziehen, mich aufs Boot gebracht und dann an Land abgesetzt.«
»Was für ein Boot?«
»Ein großes, weißes, ziemlich breit und lang, ungefähr zehn Meter.«
»Xantha, wie können Sie wissen, daß Sie umgebracht werden sollten?«
»Der Weiße hat mir das erzählt und mir die Sachen gezeigt, die in dem kleinen Boot, meine ich.«
»Was meinen Sie damit?«
»Dieses beschissene Fischernetz und so, und die Zementblöcke. Er sagt die hätten das schon mal getan.«
Der Rechtsanwalt kam zu dem Ergebnis, daß er auch mal etwas sagen mußte. »Meine Herren, meine Mandantin verfügt anscheinend über Informationen, die eine verbrecherische Organisation auffliegen lassen könnten. Von daher ist sie auf Schutz angewiesen. Als Gegenleistung für ihre Hilfe beantragen wir finanzielle Unterstützung für den Drogenentzug.«
»Lieber Herr Anwalt«, erwiderte Joy freundlich, »wenn ihre Aussage hält, was sie verspricht, dann zahle ich den Drogenentzug sogar aus meiner eigenen Kasse. Aber ich möchte vorschlagen, daß sie gegenwärtig hinter Schloß und Riegel bleibt. Das scheint mir im Interesse ihrer Sicherheit als beste Lösung.« Der Captain von der Staatspolizei verhandelte bereits seit Jahren mit Rechtsanwälten, und allmählich redete er selbst schon wie einer.
»Das Essen hier ist zum Kotzen«, schimpfte Xantha mit schmerzlich verzogenem Gesicht.
»Ich werde mich darum kümmern«, versprach Joy.
»Ich glaube, sie braucht medizinische Versorgung«, stellte der Rechtsanwalt fest. »Läßt sich das regeln?«
»Doktor Paige wird sie sich gleich nach dem Mittagessen ansehen. Ich habe den Eindruck, Ihre Klientin ist augenblicklich nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Sobald wir die Bestätigung für ihre Geschichte haben, werden die Klagen fallengelassen. Außerdem erhalt sie im
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