01 - Gnadenlos
immer noch sehr beherrscht, was dem Überrumpler Bewunderung abnötigte.
»Das soll heißen, daß ich keine Cops umlege.« Kelly stellte ihn auf die Füße und dirigierte ihn zurück zum Wagen.
»Das ändert überhaupt nichts, Kamerad«, sagte ihm Monroe, der darauf achtete, leise zu sprechen.
»Sagen Sie mal, wo Sie die Schlüssel haben.«
»Rechte Seitentasche.«
»Danke.« Kelly nahm sie an sich, als er den Polizisten auf dem Rücksitz verstaute. Dort befand sich eine Blende, damit Verhaftete nicht den Fahrer belästigen konnten. Er ließ den Streifenwagen rasch an, parkte ihn bald darauf in einer Nebenstraße. »Geht das mit den Händen, sind die Handschellen auch nicht zu fest?«
»Ja, mir geht's verflucht gut da hinten.« Den Cop schüttelte es nun, hauptsächlich vor Wut, schätzte Kelly. Das war verständlich.
»Beruhigen Sie sich. Ich möchte Ihnen nicht weh tun. Ich werde den Wagen absperren. Die Schlüssel werde ich in einen Gully werfen.«
»Soll ich mich bei Ihnen auch noch bedanken oder was?« sagte Monroe.
»Darum habe ich nicht gebeten, oder?« Kelly fühlte den überwältigenden Drang, sich für die Belästigung zu entschuldigen. »Sie haben es mir leichtgemacht. Das nächste Mal passen Sie besser auf, Officer Monroe.«
Als auf seiner raschen Flucht die Spannung bei ihm nachließ, mußte er fast lachen. Gott sei Dank, dachte er, während er sich wieder nach Westen wandte, aber nicht für alles. Sie griffen also immer noch Betrunkene auf. Er hatte gehofft, daß sie im letzten Monat davon genug bekommen hätten. Eine weitere Komplikation. Kelly hielt sich so weit wie möglich im Schatten und an die Gassen.
Es war ein Laden, ein aufgelassenes Geschäft mit leerstehenden Häusern links und rechts, ganz wie Billy ihm verraten und Burt bestätigt hatte. Unter den richtigen Umständen waren sie ja so mitteilsame Menschen. Kelly sah es sich von der anderen Straßenseite aus an. Das Erdgeschoß war zwar leer, aber oben schien ein Licht. Der Vordereingang, sah er, war mit einem großen Messingschloß verriegelt. Der hintere wahrscheinlich auch. Nun, er konnte die Tür hier auf die harte Tour öffnen... oder die andere. Aber die Zeit raste. Diese Cops mußten ein regelmäßiges Kontrollsystem haben. Und selbst wenn nicht, dann würde Monroe früher oder später einen Funkruf erhalten, er solle jemandes Katze von einem Baum holen. Sein Sergeant würde sich ganz schnell wundern, wo bloß sein Officer war, und dann würden die Cops überall herumschwirren und nach dem Vermißten suchen. Sie würden sorgfältig und akribisch vorgehen. Das war ein Risiko, das Kelly nicht erwägen wollte, und eins, das durch Warten nicht geringer wurde.
Rasch überquerte er die Straße, gab zum erstenmal in der Öffentlichkeit seine Tarnung auf, nachdem er die Risiken abgewogen und Irrwitz den Ausschlag gegeben hatte. Aber das ganze Unternehmen war doch von Anfang an verrückt gewesen, oder nicht? Dann versuchte er, so gut es ging, diese Straßenseite nach Leuten abzusuchen. Da er niemanden entdeckte, nahm Kelly das Ka Bar aus der Scheide und ging damit auf den Kitt um die Glasscheibe in der alten Holztür los. Wahrscheinlich waren Einbrecher nicht geduldig genug, dachte er, oder bloß doof - oder auch schlauer als er im Augenblick. Er brauchte beide Hände, um den Kitt herauszubrechen. Es dauerte sechs endlose Minuten, und alles spielte sich unter einer nicht einmal fünf Meter entfernten Straßenlampe ab. Endlich konnte er das Glas herausheben, wobei er sich zweimal schnitt. Kelly fluchte stumm, als er auf den tiefen Schnitt an der linken Hand schaute. Dann stieg er seitlich durch die Öffnung und hielt auf die Rückseite des Gebäudes zu. Ein Tante-Emma-Laden, dachte er, der aufgegeben worden war, wohl weil das Viertel selbst abstarb. Nun, es hätte schlimmer kommen können. Der Boden war staubig, aber ohne Gerümpel. Hinten war eine Treppe. Kelly konnte oben Geräusche hören, doch er stieg hoch, ließ sich von seiner .45er leiten.
»Es ist nett gewesen mit dir, Schätzchen, aber jetzt ist es vorbei«, sagte eine männliche Stimme. Kelly hörte den Sarkasmus heraus. Darauf folgte das Winseln einer Frau.
»Bitte... du willst doch nicht etwa... «
»Tut mir leid, Mäuschen, aber so stehen die Dinge eben«, sagte eine andere Stimme. »Ich nehm mir die vorn vor.«
Kelly schlich durch den Flur. Wieder war der Boden ohne Hindernisse, nur dreckig. Der Holzbelag war alt, aber kürzlich erst...
Es knarrte...
»Was ist
Weitere Kostenlose Bücher