01 - Gnadenlos
für Sie. Sind Sie bereit, zuzuhören?«
»Habe ich denn eine andere Wahl, Blödmann?«
»Wollen Sie Ihre Machtspielchen treiben oder einige sachdienliche Hinweise bekommen?« fragte Kelly so vernünftig, wie er konnte. Es gab einen langen, ganz nüchternen Blickwechsel. Monroe rang seinen Stolz nieder und nickte.
»Also los.«
»Sie müssen mit Sergeant Tom Douglas sprechen - ja, mit niemand anderem. Diese Damen sitzen ganz tief in der Tinte. Sie können zur Aufklärung einiger schwerer Fälle beitragen. Nur Tom Douglas - das ist wichtig, okay?« Wenn du das vermasselst, dann sehen wir uns wieder, sagten ihm Kellys Augen.
Monroe wußte die Botschaft zu deuten und drückte seine Zustimmung aus. »Jaja.«
»Paula, du fährst, halte auf keinen Fall an, egal, was er sagt, hast du kapiert?« Das Mädchen nickte. Sie hatte ihn zwei Männer umbringen sehen. »Dann fahr los!«
Sie war eigentlich zu berauscht, um fahren zu können, aber es war noch das Beste, was er veranlassen konnte. Der Polizeiwagen kroch davon, schrammte in der Gasse noch einen Telefonmast, dann bog er um die Ecke und war verschwunden. Kelly holte tief Luft, kehrte dann zu seinem Auto zurück. Pam hatte er nicht gerettet, genausowenig Doris. Aber er hatte diese drei und Xantha heil rausgebracht.
Und das unter Lebensgefahr, was zum Teil sowohl unabsichtlich wie notwendig gewesen war. Nun reichte es allmählich.
Aber noch nicht ganz.
Der Lastwagenkonvoi mußte mehr Umwege als geplant machen und kam erst nach der Mittagszeit am Zielort an. Der war das Gefängnis in Hoa Lo. Der Name bedeutete «Platz der Kochfeuer«, und die Amerikaner wußten genau, womit sie es zu tun hatten. Als die LKWs in den Hof gefahren und die Tore geschlossen waren, durften die Männer von der Ladefläche steigen. Wieder wurde jedem Mann ein eigener Bewacher zugeteilt, der ihn abführte. Sie durften einen Schluck Wasser trinken. Sonst bekamen sie nichts, sondern wurden gleich in Einzelzellen gesteckt. Auch Robin Zacharias kam in eine, die wie seine vorherige aussah. Er suchte sich eine Stelle am Boden aus, setzte sich hin und lehnte müde von der Reise den Kopf an die Wand. Es dauerte einige Minuten, bis er das Klopfen hörte.
Rasieren und Haareschneiden, ein Sechser.
Rasieren und Haareschneiden, ein Sechser.
Er öffnete die Augen. Erst mußte er nachdenken. Die Kriegsgefangenen benutzten einen Kommunikationscode, der so einfach wie alt war, ein graphisches Alphabet.
A B C D E
F G H I J
L M N O P
Q R S T U
V W X Y Z
Tap-tap-tap-tap-tap, Pause, tap-tap.
5/2, dachte Robin, während die überraschende Neuigkeit sich mühsam durch die Erschöpfung in sein Bewußtsein kämpfte. Buchstabe W. Okay, das beherrsche ich.
1/5,4/2,1/4,1/1.
Tap-tap-tap-tap-tap-tap... Robin brach das ab, um selbst zu antworten.
4/2, 3/4, 1/2, 2/4, 3/3, 5/5, l/l, 1/3.
Tap-tap-tap-tap-tap-tap.
1/1,3/1,5/2,1/1,3/1,3/1.
Al Wallace? Ist Al noch am Leben?
Tap-tap-tap-tap-tap-tap.
Wie geht's, fragte er mit dem nächsten Klopfen seinen Freund, den er seit fünfzehn Jahren kannte.
So lala, kam die Erwiderung, dann ein Zusatz für seinen Landsmann aus Utah.
1/3, 3/4, 3/2,1/5, 1/3, 3/4, 3/2, 1/5, 5/4, 1/5.
›Come, come, ye saints... ‹
Robin schnappte nach Luft, denn er hörte nicht die Klopfzeichen, sondern den Chor, die Musik und was damit gemeint war.
Tap-tap-tap-tap-tap-tap.
l/l, 3/1, 3/1, 2/4, 4/3, 5/2, 1/5, 3/1, 3/1, l/l, 3/1, 3/1, 2/4,4/3,5/2,1/5,3/1,3/1.
Robin Zacharias schloß die Augen und dankte seinem Gott zum zweiten Mal an diesem Tag und zum zweitenmal seit über einem Jahr. Es war doch ein dummer Gedanke gewesen, daß die Erlösung nicht kommen würde. Es schien nicht der geeignete Ort zu sein, und die Umstände waren seltsam, aber in der Nachbarzelle befand sich auch ein Mormone. Ein Zittern durchlief seinen Körper, als er im Geiste sein liebstes Kirchenlied hörte, dessen letzte Zeile überhaupt keine Lüge war, sondern eine Bekräftigung.
›All is well.‹ Alles ist gut.
Monroe wußte nicht, warum diese Paula nicht auf ihn hörte. Er versuchte es auf die vernünftige To ur, dann mit einem barschen Befehl, doch sie fuhr einfach weiter, folgte aber seinen Richtungsangaben, kroch die frühmorgendlichen Straßen mit höchstens 25 Stundenkilometern entlang und hielt selbst dabei selten und nur mit Mühe die Spur. Es dauerte vierzig Minuten.
Zweimal verfuhr sie sich, verwechselte rechts mit links und hielt einmal an, als eine ihrer Beifahrerinnen aus dem Fenster kübeln
Weitere Kostenlose Bücher