01 - Gnadenlos
eingenommen hatten. Er mußte ihre Straßennamen erfahren, sie vielleicht durch einen Informanten herausfinden lassen. Vielleicht konnten die Leute vom RD hier ein paar Dinge in Gang setzen. Jemand hatte das sogar schon getan, wenn auch nur ganz kurz, gestand Monroe sich ein, als er nach Westen an den Rand seines Reviers fuhr. Wer zum Teufel das auch immer gewesen war. Ein Stadtstreicher. Darüber mußte er in der Dunkelheit lächeln. Der inoffizielle Name in diesem Fall erschien ihm ungeheuer passend. Der Unsichtbare. Erstaunlich, daß die Zeitungen die Bezeichnung nicht aufgegriffen hatten. Er kam auf solche Gedanken, weil in dieser Nacht nichts los war. Er war dankbar dafür. Die Leute waren lange aufgeblieben, um zuzuschauen, wie die Orioles es den Yankees zeigten. Er hatte gelernt, daß sich Straßenkriminalität oft nach den Sportmannschaften und ihren Spielen richtete. Die Orioles waren auf der Siegerstraße, und es sah danach aus, als würden sie es mit der Schlagkraft von Frank Robinson und der Fanghand von Brooks Robinson bis ganz nach oben schaffen. Selbst Gauner mögen Baseball, dachte Monroe, von der Ungereimtheit verdutzt, aber er mußte es als Tatsache hinnehmen. Das würde eine langweilige Nacht werden, aber ihm machte das nichts aus. Es gab ihm die Chance, seine Strecke abzufahren und dabei zu beobachten und zu lernen und auch nachzudenken. Mittlerweile kannte er alle ständigen Anbieter auf der Straße und lernte nun, auf das zu achten, was anders war, es so im Auge zu behalten, wie es ein erfahrener Cop tun würde. Dann konnte er entscheiden, was er überprüfen mußte und was er durchgehen lassen konnte. Wenn er das beherrschte, würde er so weit kommen, daß er einige Verbrechen verhindern und nicht mehr bloß auf sie reagieren konnte. Das war ein Geschick, das nicht rasch zu erlernen war, dachte sich Monroe.
Die westliche Grenze seines Gebiets war eine von Norden nach Süden verlaufende Straße. Die eine Seite gehörte noch ihm, die drüben einem anderen Beamten. Er war schon dabei, umzudrehen, als er wieder einen Stadtstreicher sah. Irgendwie kam ihm die Person bekannt vor, wenn sie auch nicht zu denen gehörte, die er vor etlichen Wochen gefilzt hatte. Er war es leid, bloß im Wagen zu sitzen, und es langweilte ihn heute nacht, nichts weiter als ein einziges Verkehrsdelikt zu haben, also fuhr er an den Bordstein.
»He, bleib stehen, Kamerad.« Die Gestalt ging weiter, langsam, ungleichmäßig. Vielleicht bahnte sich da eine Verhaftung wegen Trunkenheit in der Öffentlichkeit an, wahrscheinlich aber handelte es sich nur um einen Obdachlosen, dessen Gehirn auf Dauer vom ewigen Saufen billigen Fusels geschädigt war. Monroe steckte den Schlagstock in die Ringhalterung und schritt schnell aus, um aufzuholen. Es waren nur zwanzig Meter, doch es schien, als wäre der arme alte Krüppel taub oder so, er hörte nicht einmal das Klicken der Stiefelabsätze auf dem Gehsteig. Monroe legte dem Penner die Hand auf die Schulter. »Ich hab gesagt, stehenbleiben.«
Durch den Körperkontakt änderte sich plötzlich alles. Diese Schulter war fest und stark - auch angespannt. Monroe war einfach nicht darauf gefaßt, war zu müde, zu gelangweilt, zu eingelullt, hatte sich vom Anschein zu sehr blenden lassen, und obwohl sein Hirn augenblicklich der Unsichtbare schrie, war sein Körper nicht einsatzbereit. Das traf aber nicht auf den Penner zu. Schon bevor er ihn richtig packen konnte, sah er die Welt heftig von unten rechts nach oben links wirbeln. Er hatte erst den Himmel, dann den Gehsteig, dann wieder den Himmel vor sich, doch der Blick zu den Sternen wurde ihm von einer Pistole verwehrt.
»Warum haben Sie nicht einfach in Ihrem Scheißauto bleiben können?« fragte der Mann zornig.
»Wer... «
»Still!« Die Pistole an seiner Stirn stellte das beinahe sicher. Aber da sah er die Operationshandschuhe, und das zwang den Polizisten dann doch zum Sprechen.
»Herrgott.« Es war ein ehrfürchtiges Flüstern. »Sie sind es.«
»Ja, ich bin's. Nun, was zum Teufel soll ich mit Ihnen machen?« fragte Kelly.
»Ich werde mich nicht aufs Betteln verlegen.« Der Mann hieß Monroe, sah Kelly am Namensschild. Er sah nicht danach aus, als würde er um Gnade flehen.
»Das brauchen Sie nicht. Drehen Sie sich um - so!« Der Polizist tat, wie ihm geheißen. Kelly zog ihm die Handschellen vom Gürtel, ließ sie um beide Handgelenke einschnappen. »Nur ruhig, Officer Monroe.«
»Was soll das heißen?« Der Mann redete
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