01 - Gnadenlos
Akten nach dem Namen durchsuchen, dann das nationale Register des FBI für Kapitalverbrecher und sich schließlich in den Straßen umhören. Sie würden die Führerscheinkartei nach dem Namen durchforsten. Das war nur noch reine Routine, und mit einem Namen würden sie ihn erwischen, vielleicht bald, vielleicht erst später. Aber da war auch noch diese andere kleine Angelegenheit zu erledigen.
»Beide von auswärts?« fragte Ryan.
»Philadelphia. Francis Molinari und Albert d'Andino«, bestätigte Douglas, der die Namen von ihren Führerscheinen ablas. »Was würdest du wetten, daß... «
»Keine Wette, Tom.« Ryan drehte sich mit einem Foto in der Hand um. »Monroe, kommt Ihnen dieses Gesicht bekannt vor?«
Der Streifenbeamte nahm Ryan das kleine Paßbild aus der Hand und besah es sich im schwachen Licht der oberen Wohnung. Er schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht, Sir.«
»Was soll das heißen? Sie haben dem Kerl doch von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden!«
»Er hatte längere Haare, hatte sich etwas ins Gesicht geschmiert; als er ganz nah war, habe ich hauptsächlich die Mündung seines Colts gesehen. Es ging zu schnell und war zu dunkel.«
Es war nicht ungefährlich, aber das kannte er ja. Vier Wagen standen vor dem Haus. Er durfte auf keinen Fall Lärm machen - doch gleichzeitig boten ihm die vier draußen geparkten Wagen Sicherheit. Kelly kletterte auf den schmalen Sims eines zugemauerten Fensters und griff nach der Telefonleitung. Er hoffte, daß gerade niemand telefonierte, als er die Drähte durchtrennte und rasch seine eigenen Anschlüsse anklemmte. Als er das getan hatte, sprang er herunter und ging an der Rückseite des Gebäudes entlang nach Norden, ließ seinen Leitungsdraht nachschleifen und einfach auf dem Boden liegen. Er bog um die Ecke, ließ die Spule wie einen Henkelmann von der linken Hand baumeln, als er die kaum befahrene Straße überquerte und sich unbekümmert wie ein Mensch bewegte, der hier zu Hause ist. Nach weiteren hundert Metern änderte er wieder die Richtung, ging in das verlassene Gebäude und stieg zu seinem Ausguck hinauf. Sobald er dort angelangt war, kehrte er noch einmal zu seinem Auto zurück und holte das heraus, was er noch benötigte, darunter seine vertraute Whiskeyflasche, gefüllt mit Leitungswasser, und einen Vorrat an Snickers. Nun war er bereit für den nächsten Schritt.
Das Gewehr war nicht ganz einvisiert. So verrückt es erschien, aber die vernünftigste Vorgehensweise war die, das Gebäude als Ziel zu benutzen. Er schulterte im Sitzen die Waffe und suchte die Mauer nach einer geeigneten Stelle ab. Dort, ein ausgeblichener Backstein. Kelly brachte seinen Atem unter Kontrolle, stellte das Zielfernrohr auf maximale Vergrößerung ein und drückte sanft ab.
Es war seltsam, mit diesem Gewehr zu schießen. Die .22er Randfeuerpatrone ist klein und von sich aus schon leise, und wegen des präzise konstruierten Schalldämpfers hörte er zum erstenmal in seinem Leben das musikalische Pinggg des Hahns, der auf die Zündnadel traf, und gleich darauf das gedämpfte Pop des Abschusses. Der neuartige Eindruck lenkte Kelly beinahe von dem weitaus lauteren Platsch des Einschlags der Kugel ab. Das Geschoß wirbelte ein Staubwölkchen auf, fünf Zentimeter mehr links und drei Zentimeter höher als sein Zielpunkt. Kelly legte den Hebel um, schob drei Patronen ins Magazin und stellte das Zielfernrohr wieder kleiner.
»Hast du das gehört?« fragte Piaggi müde.
»Was war das?« Tucker sah von seiner Arbeit auf. Seit mehr als zwölf Stunden saß er an dieser Scheißarbeit, die er schon für immer hinter sich gebracht zu haben glaubte. Er war noch nicht mal zur Hälfte fertig, trotz der beiden »Soldaten« aus Philadelphia. Tony gefiel es genausowenig.
»Als wär was runtergefallen«, sagte Tony, der den Kopf schüttelte und weitermachte. Das einzig Gute an der Sache war, daß er sich damit weiteren Respekt verschaffen würde, wenn er diese Geschichte seinen Komplizen an der Küste erzählte. Anthony Piaggi, ein ernst zu nehmender Mann. Wenn alles in die Hose ging, dann packte er auch persönlich mit an. Liefert pünktlich und kommt seinen Verpflichtungen nach. Auf Tony ist Verlaß. Um dieses Ansehen zu erreichen, lohnte sich auch dieser Einsatz. Zumindest dreißig Sekunden lang konnte ihn der Gedanke trösten.
Tony schlitzte ein weiteres Säckchen auf, bemerkte den üblen Chemikaliengeruch, erkannte aber nicht wirklich, was es war. Das feine
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