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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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anspannte. »Schau, ich werde aufpassen. Wenn du irgendwas siehst, das dich ängstigt, werde ich mich so schnell aus dem Staub machen, wie du es nicht für möglich halten würdest.«
    »Ich hab Angst davor«, sagte Pam augenblicklich, sprach dann aber nicht weiter. Sie vertraute ihrem Mann doch, oder etwa nicht? Er hatte soviel für sie getan. Er hatte sie gerettet. Sie mußte ihm vertrauen - nein, sie mußte es ihn wissen lassen. Sie mußte es ihm zeigen. Und deshalb fragte sie: »Versprichst du, daß du vorsichtig sein wirst?«
    »Glaub mir, Pam«, versicherte er ihr. »Wenn du auch nur die geringste Kleinigkeit siehst, die dir Angst macht, zischen wir sofort ab.«
    »Gut, also dann.«
    Schon verblüffend, dachte Kelly fünfzig Minuten später. Was es alles für Dinge gab, die einem nie wirklich auffielen. Wie oft war er nicht schon durch diesen Teil der Stadt gefahren, ohne je anzuhalten, ohne je etwas zu bemerken. Und dabei hatte sein Überleben jahrelang nur davon abgehangen, daß er alles wahrnahm, jeden geknickten Zweig, jeden plötzlichen Vogelruf, jeden Fußabdruck im Schlamm. Aber er war doch hundertmal durch diese Gegend gefahren und hatte nie bemerkt, was hier ablief, weil es ein ganz anderer Dschungel mit ganz anderem Wild war. Ein Teil von ihm blieb davon unbeeindruckt und meinte: Na und, was hast du erwartet? Ein anderer Teil aber stellte fest, daß es hier schon immer gefährlich gewesen war und er nur nie darauf geachtet hatte, doch diese Warnung war nicht so laut und deutlich, wie sie hätte sein sollen.
    Die Verhältnisse waren ideal. Dunkelheit unter einem bewölkten mondlosen Himmel. Die einzige Beleuchtung kam von spärlich verteilten Straßenlampen, die isolierte Lichthöfe entlang sowohl verlassener wie belebter Gehsteige bildeten. Immer wieder gingen Schauer nieder, einige davon ziemlich heftig, aber die meisten nur ganz leicht, eben unangenehm genug, um die Köpfe gesenkt zu halten und die Sicht zu verringern, genug, um die normale Neugier eines Menschen einzudämmen. Das paßte Kelly ausgezeichnet, da er immer wieder um die Häuserblocks fuhr und registrierte, wie sich an einer bestimmten Stelle zwischen der zweiten und dritten Umrundung einiges veränderte. Ihm fiel auf, daß nicht einmal alle Straßenlampen funktionierten. War das nur die Nachlässigkeit der städtischen Arbeiter oder »kreative« Wartung auf seiten der örtlichen »Geschäftsleute«? Wahrscheinlich von beidem etwas, dachte Kelly. Die Kerle, die die Birnen austauschten, konnten vielleicht nicht alles schaffen, und so ein Zwanzigdollar-Schein überzeugte sie höchstwahrscheinlich, es langsamer angehen zu lassen oder einfach die Birne nicht ganz reinzuschrauben. Jedenfalls bestimmten diese fehlenden Lichter die ganze Atmosphäre. In den Straßen war es dunkel, und die Dunkelheit war schon immer Kellys verläßlicher Freund gewesen.
    Das Viertel ist so... traurig, dachte er. Schäbige Fassaden früherer Tante-Emma-Läden, wahrscheinlich in den Ruin getrieben durch Supermärkte, die ihrerseits bei den 68er-Unruhen verwüstet worden waren und ein Loch im Wirtschaftsgefüge der Gegend hinterlassen hatten, das noch nicht wieder gestopft war. Der gesprungene Zement der Gehsteige war mit allem möglichen Unrat übersät. Gab es Menschen, die hier wohnten? Wer waren sie? Was taten sie? Was waren ihre Träume? Sicherlich konnten nicht alle Kriminelle sein. Versteckten sie sich nachts? Und wenn, wie war es bei Tageslicht? In Asien hatte Kelly gelernt: Gib dem Feind einen Teil des Tages, und er wird ihn sich sichern und dann ausdehnen, denn der Tag hat vierundzwanzig Stunden, die er alle für sich und seine Aktivitäten in Anspruch nehmen will. Nein, der Gegenseite durfte nichts überlassen werden, keine Zeit, kein Ort, nichts, was sie zuverlässig für sich nützen konnte. So wurden Kriege verloren, und was sich hier abspielte, war Krieg. Und die Sieger dabei waren nicht die Kräfte des Guten. Diese Erkenntnis traf ihn hart. Kelly hatte schon einmal an einem Krieg teilgenommen, von dem er wußte, daß er nicht zu gewinnen war.
    Die Dealer waren eine buntgemischte Truppe, bemerkte Kelly, als er ihre Standorte umrundete. Ihre Haltung verriet ihm, daß sie sich vollkommen sicher fühlten: Um diese Stunde gehörte die Straße ihnen. Es mochte zwischen dem einen und dem anderen eine gewisse Konkurrenz geben, den unschönen darwinistischen Kampf um die Vorherrschaft über einen bestimmten Abschnitt des Bürgersteigs, um die

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