Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
zu seinem Auto, daß sich nicht alle so leicht lösen ließen.
    Die Leiche blieb, wo sie war. Doris und die anderen saßen im selben Raum, unfähig, ihre Blicke von der früheren Freundin abzuwenden. Sie lernten ihre Lektion, genau wie Henry sich das vorgestellt hatte.
    Kelly registrierte nur vage, daß er bewegt wurde. Der Boden glitt unter ihm dahin. Er sah zu, wie die Lücken zwischen den Bodenfliesen abrollten, wie bei einem Filmabspann, bis man ihn rückwärts in ein neues kleines Zimmer schob. Diesmal versuchte er den Kopf zu heben, und er bewegte sich sogar ein paar Zentimeter, genug, daß er die Beine einer Frau sehen konnte. Die grüne OP-Hose endete über den Knöcheln, und die waren eindeutig die einer Frau. Es surrte, und sein Horizont bewegte sich nach unten. Nach einem Augenblick erkannte er, daß er auf einem elektrisch verstellbaren Bett lag und zwischen zwei Bügeln aus rostfreiem Stahl aufgehängt war. Sein Körper war irgendwie ans Bett geschnallt, und als sein Lager rotierte, fühlte er den Druck der Gurte, die ihn festhielten. Nicht unbedingt unangenehm, aber spürbar. Dann sah er eine Frau. Sein Alter, vielleicht ein oder zwei Jahre jünger, mit braunem, unter eine grüne Haube gestecktem Haar und hellen Augen, die freundlich funkelten.
    »Hallo«, sagte sie durch ihren Mundschutz. »Ich bin Ihre Krankenschwester.«
    »Wo bin ich?« fragte Kelly mit rauher Stimme.
    »Johns-Hopkins-Krankenhaus.«
    »Was... «
    »Jemand hat auf Sie geschossen.« Sie berührte seine Hand.
    Ihre weiche Hand ließ etwas in seinem von der Betäubung benebelten Bewußtsein aufflammen. Aber Kelly konnte sich nicht gleich darüber klarwerden, was es war. Wie eine Rauchwolke verschob und drehte es sich, bis vor seinen Augen ein Bild entstand. Die fehlenden Teile setzten sich zusammen, und obwohl er begriff, daß ihn schieres Entsetzen erwartete, bemühte sich sein Verstand, den Prozeß zu beschleunigen. Schließlich erledigte die Schwester das für ihn.
    Sandy O´Toole hatte aus gutem Grund ihren Mundschutz anbehalten. Als gutaussehende Frau spürte sie wie viele Krankenschwestern, daß männliche Patienten gut darauf ansprachen, wenn jemand wie sie persönlichen Anteil an ihnen bekundete. Nun, da der Patient Kelly, John, mehr oder weniger aufnahmefähig war, band sie den Mundschutz ab, um ihm ihr strahlendes Frauenlächeln zu schenken, die erste Nettigkeit für ihn an diesem Tag. Männer mochten Sandra O'Toole, von ihrem großen, athletischen Körperbau bis zu der Zahnlücke zwischen den Schneidezähnen. Sie hatte keine Ahnung, warum sie die Lücke sexy fanden - da verfingen sich ja nur Essensreste -, aber solange es funktionierte, war es nur ein weiteres Hilfsmittel in ihrem Beruf, Kranke gesund zu pflegen. Und so lächelte sie ihn rein aus beruflichen Gründen an. Was dieses Lächeln bewirkte, war mit nichts zu vergleichen, was sie bisher erlebt hatte.
    Ihr Patient wurde leichenblaß, nicht so weiß wie Schnee oder ein Bettlaken, sondern wie fleckiges, ungesund aussehendes Styropor. Ihr erster Gedanke war, daß irgend etwas ernsthaft danebengegangen war, vielleicht eine heftige innere Blutung oder eine durch ein Gerinnsel verursachte Thrombose. Er hätte wohl aufgeschrien, aber er bekam keine Luft, und seine Hände erschlafften. Seine Augen ließen nicht von ihr ab, und nach einer Weile merkte O'Toole, daß irgendwie sie alles ausgelöst hatte, was es auch war. Instinktiv wollte O'Toole als erstes seine Hand nehmen und sagen, alles sei in Ordnung, aber sie wußte augenblicklich, daß dem nicht so wahr.
    »O Gott... o mein Gott... Pam.« Der Blick in dem sonst bestimmt markant hübschen Gesicht drückte tiefste Verzweiflung aus.
    »Sie war bei mir«, sagte Kelly ein paar Minuten später zu Professor Rosen. »Weißt du irgendwas, Doc?«
    »Die Polizei wird in ein paar Minuten hier sein, John, aber, nein, ich weiß gar nichts. Vielleicht haben sie sie in ein anderes Krankenhaus gebracht.« Sam wollte Hoffnung vermitteln. Aber er wußte, daß es gelogen war, und er haßte sich für diese Lüge. Er machte sich mit viel Brimborium daran, Kelly den Puls zu messen, etwas, das Sandy genauso gut hätte erledigen können, und untersuchte dann den Rücken seines Patienten. »Es wird gut werden. Wie geht's der Schulter?«
    »Nicht besonders, Sam«, erwiderte Kelly, immer noch groggy. »Wie schlimm?«
    »Schrotflinte - du hast einiges abbekommen, aber - war das Wagenfenster hochgekurbelt?«
    »Ja«, sagte Kelly, sich an den Regen

Weitere Kostenlose Bücher