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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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eine frische Liebe, alle möglichen neuen Eigenschaften zu erkunden und genießen. Der Spender hatte auch noch einen ganzen Satz Teleobjektive zur Verfügung gestellt. Die Nikon war neu auf dem Markt, und der Firma war daran gelegen, daß ihr Produkt in der Gemeinde der Pressefotografen rasch Aufnahme fand, und so hatten zwanzig Fotografen bei verschiedenen Zeitungen im Land Gratisexemplare erhalten. Bob Preis hatte seines aufgrund eines vor drei Jahren erhaltenen Pulitzer-Preises bekommen. Er saß in seinem Wagen am Druid Lake Drive und hörte den Polizeifunk ab, in der Hoffnung, daß irgend etwas Aufregendes passieren würde, aber es geschah nichts. Und so spielte er mit seiner neuen Kamera herum und übte sich ein bißchen im Wechseln der Objektive. Die Nikon war ein technisches Meisterwerk, und so wie ein Infanterist das Zerlegen und Reinigen seines Gewehrs in völliger Dunkelheit zu beherrschen lernen muß, wechselte Preis ein Objektiv nach dem anderen aus, ohne hinzusehen, und zwang sich, mit den Augen das Gelände abzusuchen, bloß um seinen Blick von einem Vorgang abzulenken, der für ihn so natürlich und automatisch werden mußte wie das Zuziehen des Reißverschlusses an seiner Hose. Krähen weckten seine Neugier. Nicht ganz in der Mitte des unregelmäßig geformten Sees befand sich eine Fontäne. Sie war kein architektonisches Wunderwerk, nur ein schmuckloser Betonzylinder, der über zwei Meter aus dem Seespiegel ragte und ein paar Düsen enthielt, die die Strahlen mehr oder weniger gerade in die Luft spritzten, wenngleich heute wechselnde Winde das Wasser aufs Geratewohl in alle Richtungen verstreuten. Die Krähen umkreisten die Fontäne und versuchten gelegentlich, in deren Mitte zu kommen, woran sie aber immer wieder von den starken weißen Gischtstrahlen gehindert wurden, die ihnen wohl nicht geheuer waren.
    Was zog die Krähen an? Preis fischte das 200er-TeIe aus der Kameratasche, schraubte es an das Kameragehäuse und setzte es schwungvoll an die Augen.
    »Heiliger Strohsack!« Preis machte rasch zehn Aufnahmen, erst dann schaltete er den Funk ein und wies sein Büro an, sofort die Polizei zu benachrichtigen. Er wechselte nochmals das Zubehör und wählte diesmal das 300-mm-Objektiv, sein stärkstes. Nachdem er einen Film verschossen hatte, spulte er einen neuen ein, diesmal einen Farbfilm mit 100 ASA. Er stützte die Kamera auf die Fensterleiste seines klapprigen alten Chevy und verschoß die nächste Rolle. Eine Krähe, sah er, gelangte direkt in die Fontäne und setzte sich auf...
    »O Gott, nein... « Denn dort lag ein toter Mensch, eine junge Frau, weiß wie Alabaster, und durch das Objektiv konnte er die Krähe auf ihr sehen, wie sie mit ihren Krallenfüßen über die Leiche stolzierte und aus mitleidlosen schwarzen Augen das musterte, was für sie nichts weiter als ein riesiges und üppiges Fressen war. Preis setzte die Kamera ab und schaltete den Wagen in den ersten Gang. Er übertrat zwei Verkehrsregeln, als er so nah an die Fontäne heranfuhr, wie er nur konnte, und in einem bei ihm seltenen Anfall von Menschlichkeit, die über sein Berufsethos siegte, wie wild auf die Hupe drückte, in der Hoffnung, den Vogel damit zu verscheuchen. Die Krähe blickte auf, sah aber gleich, daß der Lärm, wo er auch herkam, keine unmittelbare Bedrohung darstellte, und machte sich wieder daran, den ersten Happen für ihren eisenharten Schnabel auszusuchen. Da hatte Preis eine zufällige, jedoch wirkungsvolle Eingebung. Er ließ seine Scheinwerfer ein paarmal aufblinken, und das war für den Vogel ungewöhnlich genug, als daß er sich die Sache noch mal überlegte, und er flog davon. Es könnte ja eine Eule sein, und seine Mahlzeit würde sich schließlich nicht vom Fleck rühren. Der Vogel würde einfach warten, bis die Gefahr vorüber war, und dann zum Fressen zurückkehren.
    »Was gibt's?« fragte ein Cop, der gerade neben Preis angehalten hatte.
    »Dort auf der Fontäne ist eine Leiche. Schauen Sie.« Er gab ihm die Kamera.
    »Mein Gott«, flüsterte der Polizist und gab ihm nach langem Schweigen die Kamera wieder zurück. Er gab seinen Funkspruch durch, während Preis eine weitere Filmrolle verschoß. Polizeiwagen trafen ein, fast so wie die Krähen, einer nach dem anderen, bis im Bereich der Fontäne acht Wagen geparkt waren. Nach zehn Minuten waren auch ein Feuerwehrwagen sowie jemand von der Parkverwaltung da, der an seinem Transporter ein Boot mitschleppte. Das wurde schnell ins Wasser gelassen. Dann

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