01 - Gnadenlos
erinnernd.
»Das hat dir mit das Leben gerettet. Die Schultermuskeln sind ganz schön kaputt, und du warst verdammt nah am Verbluten, aber du wirst keinen bleibenden Schaden davontragen, außer ein paar Narben. Ich hab's selbst gemacht.«
Kelly blickte auf. »Danke, Sam. Der Schmerz ist nicht so schlimm... war schlimmer, als ich das letzte Mal... «
»Beruhige dich, John«, befahl Rosen sanft, während er sich das Genick genauer ansah. Er merkte sich vor, eine völlig neue Serie von Röntgenaufnahmen anzufordern, um wirklich sicherzugehen, daß er nichts übersehen hatte, womöglich noch in Nähe des Rückgrats. »Die Schmerzmittel werden ziemlich schnell wirken. Deinen Heldenmut kannst du dir für andere Gelegenheiten aufsparen. Dafür gibt es hier keine Punkte. Okay?«
»Aye aye. Bitte frag in den anderen Krankenhäusern nach Pam, ja?« bat Kelly mit Hoffnung in der Stimme, obwohl auch er es besser wußte.
Zwei uniformierte Beamte hatten die ganze Zeit darauf gewartet, daß Kelly zu sich kommen würde. Rosen führte den älteren der beiden ein paar Minuten später herein. Die Befragung wurde auf Anweisung des Arztes kurz gehalten. Nachdem er seine Personalien bestätigt hatte, fragten sie ihn nach Pam; sie hatten von Rosen bereits eine Personenbeschreibung, aber keinen Nachnamen, den mußte Kelly erst liefern. Die Beamten vermerkten seine Verabredung mit Kriminalkommissar Allen und gingen nach ein paar Minuten, als das Opfer allmählich wieder wegdämmerte. Der Schock der Schüsse und die Operation würden zusätzlich zu den Schmerzmitteln sowieso den Wert seiner Aussage mindern, betonte Rosen.
»Wer ist also das Mädchen?« fragte draußen der ranghöhere Beamte.
»Ich habe bis vor ein paar Minuten nicht mal ihren Nachnamen gewußt«, bekannte Rosen, als sie in seinem Büro saßen. Er war wegen des Schlafmangels benommen, und das beeinträchtigte auch seine Erläuterungen. »Sie war von Barbituraten abhängig, als wir sie kennenlernten - sie und Kelly lebten zusammen. Wir haben ihr bei der Entziehung geholfen.«
»Wer ist ›wir‹?«
»Meine Frau Sarah. Sie ist Pharmakologin hier. Sie können mit ihr reden, wenn Sie wollen.«
»Werden wir«, versicherte ihm der Beamte. »Was ist mit Mr. Kelly?«
»Ehemaliger Angehöriger der Navy, Vietnam-Veteran.«
»Haben Sie Grund zur Annahme, daß er Drogen nimmt. Sir?«
»Auf keinen Fall«, antwortete Rosen mit leichtem Unmut in der Stimme. »Seine körperliche Verfassung ist zu gut dafür, und ich habe seine Reaktion gesehen, als wir herausfanden, daß Pam regelmäßig Tabletten schluckte. Ich mußte ihn beruhigen. Eindeutig kein Süchtiger. Ich bin Arzt, es wäre mir aufgefallen.«
Der Polizist war nicht besonders beeindruckt, verließ sich aber auf Rosens Worte. Die Kripo wird daran viel Spaß haben, dachte er. Was nach einem einfachen Raubüberfall ausgesehen hatte, war jetzt zumindest auch noch eine Entführung. Wunderbare Neuigkeiten. »Was hat er also in jenem Teil der Stadt gewollt?«
»Das weiß ich nicht«, gab Sam zu. »Wer ist dieser Lieutenant Allen?«
»Morddezernat Western District«, erklärte der Cop.
»Ich frage mich, warum sie einen Termin hatten.«
»Das werden wir vom Lieutenant erfahren, Sir.«
»War das ein Raubüberfall?«
»Wahrscheinlich. Sieht ganz danach aus. Wir haben seine Brieftasche einen Block weiter gefunden, kein Bargeld, keine Kreditkarten, bloß seinen Führerschein. Er hatte auch eine Handfeuerwaffe im Auto. Wer auch immer ihn ausgeraubt hat, muß sie übersehen haben. Das ist übrigens illegal«, bemerkte der Cop. Ein weiterer Polizeibeamter kam herein.
»Ich habe den Namen noch mal überprüft - ich wußte, ich habe ihn schon irgendwo gehört. Er hat für Allen einen Auftrag erledigt. Wissen Sie noch, letztes Jahr, der GoodingFall?«
Der Vorgesetzte blickte von seinen Notizen auf. »Ach klar! Er ist der Kerl, der das Gewehr gefunden hat, oder?«
»Richtig, und am Ende hat er unsere Taucher ausgebildet.«
»Das erklärt aber noch nicht, was zum Teufel er dort drüben wollte«, betonte der Bulle.
»Stimmt«, gab sein Kollege zu. »Aber es macht es schwer, zu glauben, daß er ein Kunde ist.«
Der Vorgesetzte schüttelte den Kopf. »Er hatte ein Mädchen dabei. Sie wird vermißt.«
»Entführung auch noch? Was haben wir über sie?«
»Bloß den Namen. Pamela Madden. Zwanzig, auf Drogenentzug, vermißt. Wir haben Mr. Kelly, sein Auto, seinen Revolver, und das wär's dann auch schon. Keine Patronenhülsen von der
Weitere Kostenlose Bücher