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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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kamen die Gerichtsmediziner mit einem Laborwagen, und nun konnten sie zur Fontäne hinausfahren. Preis bat darum, mitkommen zu dürfen er war ein besserer Fotograf als der von der Polizei -, wurde aber abgewiesen, und so machte er weiter Aufnahmen vom Rand des Sees aus. Einen weiteren Pulitzer würde ihm das hier nicht einbringen. Wäre aber drin gewesen, dachte er. Allerdings nur um den Preis, daß er das instinktgesteuerte Verhalten eines Aasvogels auf Film gebannt hätte, der mitten in einer Großstadt die Leiche eines Mädchens zerfledderte. Das war die Alpträume nicht wert. Von denen hatte er so schon genug.
    Es hatten sich bereits Schaulustige versammelt. Die Polizeibeamten standen in vereinzelten Grüppchen beisammen und ergingen sich in leisen Kommentaren und ein paar aufgesetzt abgebrühten Bemerkungen. Ein TV-Übertragungswagen kam vom Studio am Television Hill gleich nördlich des Parks, in dem auch der Zoo untergebracht war. Bob Preis ging oft mit seinen Kindern dorthin. Den Löwen mit dem nicht gerade originellen Namen Leo mochten sie besonders, aber auch die Eisbären, überhaupt alle Raubtiere, die sicher hinter Eisenstäben und Steinmauern weggesperrt waren. Ganz im Gegensatz zu gewissen Leuten, dachte er, während er beobachtete, wie die Leiche aufgehoben und in einen Plastiksack gesteckt wurde. Zumindest war ihr Leiden beendet. Preis wechselte nochmals den Film, um das Verladen des Leichnams in den Kombiwagen des Gerichtsmediziners aufzunehmen. Nun war auch ein Reporter der Sun hier. Er würde die Fragen stellen, während sich Preis in seiner Dunkelkammer in der Calvert Street schon mal ein Urteil darüber bilden würde, wie gut seine neue Kamera wirklich war.
    »John, sie ist gefunden worden«, sagte Rosen.
    »Tot?« Kelly konnte nicht hochsehen. Sams Tonfall hatte ihm bereits alles gesagt. Es kam nicht überraschend, aber das Ende aller Hoffnungen ist für niemanden leicht zu verdauen. Sam nickte. »Ja.«
    »Wie?«
    »Ich weiß es noch nicht. Die Polizei hat mich vor ein paar Minuten erst angerufen, und ich bin so schnell ich konnte hergekommen.«
    »Danke, Doc.« Wenn eine menschliche Stimme tot klingen konnte, sagte sich Sam, dann jetzt die von Kelly.
    »Es tut mir leid, John. Ich - du weißt ja, wie ich zu ihr stand.«
    »Ja, ich weiß. Es ist nicht deine Schuld, Sam.«
    »Du ißt ja gar nichts.« Rosen deutete auf das Essenstablett.
    »Ich hab keinen Hunger.«
    »Wenn du genesen willst, mußt du zu Kräften kommen.« »Warum?« fragte Kelly und starrte zu Boden.
    Rosen trat zu ihm hin und ergriff seine rechte Hand. Es gab nicht viel zu sagen. Der Neurologe brachte es nicht über sich, Kelly ins Gesicht zu sehen. Er hatte sich die Dinge schon gut genug zusammengereimt, um zu wissen, daß sein Freund sich selbst die Schuld dafür zuschrieb, aber er wußte nicht genug, um mit ihm darüber zu reden, zumindest jetzt noch nicht. Der Tod war für Professor Sam Rosen ständig präsent. Neurochirurgen behandelten größere Verletzungen des empfindlichsten Teils der menschlichen Anatomie, und bei den Verletzungen, um die sie sich meist kümmern muß ten, war häufig jede ärztliche Kunst vergebens. Doch der unerwartete Tod eines Menschen, den man gekannt hat, ist wohl für niemanden leicht zu bewältigen.
    »Kann ich irgend etwas tun?« fragte er nach etwa einer Minute.
    »Im Moment nichts, Sam. Danke.«
    »Vielleicht ein Geistlicher?«
    »Nein, jetzt nicht.«
    »Es war nicht deine Schuld, John.«
    »Wessen dann? Sie hat mir vertraut, Sam. Ich hab alles vermasselt.«
    »Die Polizei möchte noch mal mit dir reden. Ich habe ihnen gesagt, morgen früh.«
    Kelly hatte an diesem Morgen die zweite Befragung hinter sich gebracht. Er harte ihnen bereits das meiste erzählt.
    Ihren vollen Namen, ihre Heimatstadt, wie sie sich kennengelernt hatten. Ja, sie waren miteinander intim gewesen. Ja, sie war eine Prostituierte gewesen, eine Ausreißerin. Ja, ihr Körper wies Anzeichen von Mißhandlungen auf. Aber es war noch nicht alles gewesen. Irgendwie hatte er es nicht fertiggebracht, freiwillig mit Informationen rauszurücken, denn das hatte auch bedeutet, anderen Männern gegenüber das ganze Ausmaß seines eigenen Versagens zuzugeben.
    Und so war er einigen ihrer Fragen ausgewichen, indem er Schmerzen vorschützte, was halbwegs zutraf, aber eben nicht ganz. Er harte schon gemerkt, daß die Polizisten ihn nicht leiden konnten, aber das war ihm gleich. Derzeit mochte er sich selber nicht

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