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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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seine Dringlichkeit verloren.
    Sam brachte den Scout persönlich zum Eingang an der Wolfe Street. Die Karosserie war ausgebessert, und man hatte ein neues Fenster an der Fahrerseite eingesetzt, Kelly stand aus dem Rollstuhl auf und ging prüfend um den Wagen herum. Rahmen und Holm der Tür hatten die Geschoßsalve abgemildert und ihm das Leben gerettet. Irgend jemand hatte sich in aller Ruhe vorsichtig angeschlichen - und dann trotzdem schlecht gezielt. Dabei hatte er leichtes Spiel gehabt wo Kelly sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, einen Blick in den Rückspiegel zu werfen. Obwohl er sich deswegen Vorwürfe machte, blieb er nach außen hin unbeteiligt. Wie hatte er das nur vergessen können? fragte er sich zum hundertstenmal. Ein so einfacher Grundsatz. Genau das hatte er jedem Neuling in der 3. Sondereinsatztruppe immer wieder eingeschärft: Sichere immer deinen Rücken, denn es könnte jemand hinter dir hersein. So etwas vergaß man doch nicht!
    Doch vorbei war vorbei und ließ sich nicht mehr ändern. »Geht's jetzt zurück auf deine Insel?« erkundigte sich Rosen.
    Kelly nickte. »Ja, es wartet Arbeit auf mich, und ich muß zusehen, daß ich wieder in Form komme.«
    »Ich erwarte dich hier in, sagen wir mal in zwei Wochen zur Nachuntersuchung.«
    »Jawohl, Sir, wird gemacht«, versprach Kelly. Er bedankte sich bei Sandy O'Toole für ihre gute Pflege und wurde mit einem Lächeln belohnt. In den vergangenen achtzehn Tagen waren sie beinahe Freunde geworden. Beinahe? Wenn er sich erlauben würde, in derartigen Kategorien zu denken, dann waren sie Freunde. Kelly stieg ins Auto und legte den Sicherheitsgurt an. Abschiede hatten noch nie zu seinen Stärken gehört. Er nickte, lächelte den anderen zu und fuhr dann los, nach rechts, auf die Mulberry Street. Zum erstenmal seit seiner Einlieferung ins Krankenhaus war er wieder allein. Endlich! Neben ihm, auf dem Beifahrersitz, auf dem er Pam zum letztenmal lebend gesehen hatte, lag ein großer brauner Umschlag mit der Aufschrift Patientenberichte/Rechnungen in Sam Rosens markanter Handschrift.
    »O mein Gott«, seufzte Kelly, während er nach Westen abbog. Im Augenblick achtete er nicht sonderlich auf den Verkehr. Für John Kelly hatte sich die Stadt unwiderruflich verändert. In den Straßen herrschte eine eigenartige Mischung aus Geschäftigkeit und Leere, und er überflog das Geschehen mit einem Blick, den er fast schon vergessen hatte. Dabei konzentrierte er sich auf Personen, deren Inaktivität mit einem Zweck verbunden zu sein schien. Es würde eine Zeitlang dauern, stellte er fest, die Spreu vom Weizen zu trennen. Es herrschte nur wenig Verkehr, und eins war sicher: Auf diesen Straßen lungerte man nicht ohne eine bestimmte Absicht herum. Mit einem Blick nach beiden Seiten stellte Kelly fest, daß die anderen Fahrer unverwandt geradeaus starrten, daß sie, ebenso wie er es neulich getan hatte, sich vor dem verschlossen, was sich um sie herum abspielte.
    Nur widerwillig hielten sie an, wenn die Ampeln umsprangen und sie keine Chance mehr hatten, sie noch zu schaffen, und bei Grün fuhren sie mit quietschenden Reifen los. Wahrscheinlich wollten sie das alles schnell hinter sich lassen und hofften, daß die Probleme auf diesen Bezirk beschränkt bleiben und niemals dorthin vordringen würden, wo die guten Bürger lebten. In dieser Hinsicht war es genau das Gegenteil von Vietnam. Dort befand sich das Schlechte in der Wildnis, und man mußte dafür sorgen, daß es nicht hereinkam. Dennoch war sich Kelly bewußt, daß er hier, so andersartig der Ort auch war, mit der gleichen Art von Irrsinn und mit dem gleichen Versagen konfrontiert wurde. Und er war genauso schuldig und dumm wie alle anderen auch.
    Er wandte den Scout nach links und fuhr südlich an einem anderen Krankenhaus, einem großen weißen Gebäude, vorbei. Das Geschäftsviertel, Banken und Büros, das Gerichtsgebäude und die Stadtverwaltung, ein sauberer Stadtteil, wo sich die guten Bürger bei Tageslicht einfanden und den sie des Abends eilig wieder verließen, weil sie sich nur in der hastenden Menge sicher fühlten. Von der Polizei gut bewacht denn ohne diese Leute und ihre Geschäfte würde die Stadt sterben. Oder so ähnlich. Vielleicht war es ja auch gar keine Frage von Leben und Tod mehr. Vielleicht war es nur noch eine Frage der Zeit.
    Nur etwas mehr als zwei Kilometer, staunte Kelly. So wenig?
    Er mußte es auf der Karte nachprüfen. Wie auch

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