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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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den Marines bei ihrer Razzia sechs Wochen zuvor durch die Lappen gegangen waren. Wahrscheinlich war dieser heutige Einsatz als Gegenschlag zu werten, eine bewußt in der Nähe des amerikanischen Lagers angelegte Aktion, die ausdrücken sollte, seht her, alle habt ihr uns doch nicht gekriegt, und das werdet ihr auch nie.
    Wahrscheinlich haben sie auch noch recht, dachte Kelly, aber diese Frage ging weit über seinen augenblicklichen Einsatz hinaus.
    Die älteste Tochter war ungefähr fünfzehn, obwohl das bei diesen kleinen, ausgesprochen zierlichen vietnamesischen Frauen nur schwer einzuschätzen war. Nach fünfundzwanzig Minuten war sie immer noch nicht tot. Schrill drangen ihre Schreie über die Ebene bis zu Kellys feuchtem Versteck, und er klammerte seine Hände so fest um das Plastik seiner CAR-15, daß er, wäre es ihm bewußt geworden, Angst bekommen hätte, etwas zu zerbrechen.
    Die zehn Soldaten und ihr Major hatten sich genau so im Dorf verteilt, wie es die Situation erforderte. Die zwei aus der Mannschaft, die sich in der Nahe des Oberst aufhielten, wurden regelmäßig gegen die Wachsoldaten im Außenring ausgetauscht, damit jeder mal an den Vergnügungen dieses Abends teilhaben konnte. Einer von ihnen erledigte das Mädchen mit einem Messer. Die nächste Tochter war vielleicht zwölf.
    Kelly lauschte angestrengt, ob er nicht endlich das unverwechselbare Geräusch des Huey-Hubschraubers mit seinen zwei Rotorblättern hören konnte. Doch er vernahm lediglich das Grummeln der 155er von der Marinebasis im Osten und das Kreischen einiger Düsenjets. Beides war nicht laut genug, um die hohen Schreie des Mädchens zu übertönen, und sie waren zu elft, er aber war ganz allein. Selbst wenn Pickett ihn begleitet hätte, wären sie nicht nahe genug an diese Kerle herangekommen, um ein Spielchen mit ihnen zu wagen. Kelly war mit dem CAR-15 bewaffnet, geladen mit einem Dreißig-Schuß-Magazin, an dessen Ende mit Klebeband ein weiteres Magazin befestigt war. Zwei weitere Sets dieser Art hatte er bereits vorbereitet. Außerdem besaß er zwei Splittergranaten, zwei Phosphorgranaten und zwei Rauchbomben. Seine tödlichste Waffe aber war sein Funkgerät und deshalb hatte er schon zwei Funksprüche losgeschickt, die beide bestätigt worden waren - gemeinsam mit der Anweisung, sich nicht von der Stelle zu rühren.
    Die im Basislager hatten gut reden.
    Zwölf Jahre alt vielleicht. Zu jung, um so zu sterben. Aber gab es dafür überhaupt ein richtiges Alter? fragte er sich. Er allein konnte nichts ausrichten, und es hatte keinen Sinn, wenn er sein Leben opferte, ohne den Tod dieser Familie verhindern zu können.
    Wie konnten sie nur so etwas tun? Waren sie nicht Männer, Soldaten, berufsmäßige Krieger wie er selbst? Was war so wichtig, daß sie all ihre menschlichen Gefühle ausschalteten? Was er da mitansehen mußte, war unfaßbar, so schlimm, daß es eigentlich nicht wahr sein konnte. Und doch war es das. Das Gegrummel der Artillerie in der Ferne dauerte an, der gezielte Beschüß einer vermuteten Nachschubroute. Auch der Strom der Flugzeuge riß nicht ab, womöglich Intruder von den Marines, die ein Flächenbombardement durchführten, wahrscheinlich, wie in fast allen Fällen, auf menschenleere Wälder. Hier, wo der Feind agierte, ließen sie sich nicht blikken, aber letztlich hätte das auch nichts geändert. Diese Dorfbewohner hatten ihr Leben und ihre Sicherheit auf etwas gesetzt, das ihr Vertrauen nicht wert war, und vielleicht hielt sich dieser Major auch noch für human, weil er nur eine Familie auf spektakuläre Art umbrachte und nicht mit einem effektiveren Schlag das ganze Dorf. Aber Tote konnten nichts mehr erzählen, und was hier geschah, sollte sich herumsprechen. Mit Terror kannten die sich aus, und zwar gut.
    Die Zeit verstrich, für den einen langsam und für den anderen schnell, und mittlerweile hatte die Zwölfjährige ihren letzten Atemzug getan und wurde beiseite geworfen. Die verbliebene jüngste Tochter war etwa acht, stellte er durch sein Fernglas fest. Welche Arroganz diese Schweinehunde besaßen, jetzt auch noch ein großes Feuer anzuzünden. Offensichtlich wollten sie dafür sorgen, daß dieses Schauspiel auch wirklich niemandem entging.
    Acht Jahre, und ihre Kehle war noch zu zart, als daß sich ihr ein richtiger Schrei entringen konnte. Kelly beobachtete den Wachwechsel. Wieder kamen zwei Männer vom Rand des Dorfes in das Zentrum. Urlaubsvergnügen für Soldaten des politischen Einsatztrupps,

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