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01 - Gnadenlos

01 - Gnadenlos

Titel: 01 - Gnadenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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immer, für diese Leute war es eine gefährlich kurze Distanz zu dem, was sie fürchteten. Als er an einer Ampel anhielt, bot sich ihm eine weite Aussicht nach vorn, eine Straßenschlucht wie eine Feuerschneise. Die Ampel sprang um, und er setzte seine Fahrt fort.
    Zwanzig Minuten danach fand er die Springer an ihrem üblichen Platz vor. Kelly sammelte seine Sachen zusammen und ging an Bord. Weitere zehn Minuten später tuckerte der Dieselmotor, die Klimaanlage arbeitete, und er war wieder in seinem eigenen kleinen, weißen Kokon der Zivilisation, bereit zum Ablegen. Er bekam ja nun keine Schmerzmittel mehr und verspürte den Wunsch nach einem Bier und der damit verbundenen Entspannung - als symbolische Rückkehr in die Normalität -, aber er ließ dennoch die Finger vom Alkohol. Seine Schulter war noch immer steif, obwohl er sie nun schon fast eine Woche lang – in Grenzen, versteht sich - bewegt hatte. Er wanderte mit weit schwingenden Armen durch den Salon, obwohl er dabei vor Schmerzen das Gesicht verzog. Aber dann machte er sich ans Ablegen. Murdock trat aus der Tür seines Büros, um ihm zuzusehen, doch er sprach ihn nicht an. Kellys Erlebnisse waren durch die Zeitungen gegangen, wenn auch keine Verbindung zu Pam hergestellt worden war. Die war den Reportern irgendwie entgangen. Die Treibstofftanks waren aufgefüllt und die gesamte Technik an Bord schien einwandfrei zu funktionieren, aber Kelly konnte keine Rechnung für irgendwelche Wartungsarbeiten finden.
    Beim Lösen der Leine hatte er Schwierigkeiten, da sein linker Arm die Befehle seines Gehirns noch nicht wieder in der gewohnten glatten Art ausführen mochte. Schließlich war es geschafft, und die Springer stach in See. Nachdem er den Yachthafen verlassen hatte, ließ Kelly sich am Armaturenbrett im Salon nieder und stellte in der wohltuenden Kühle der Klimaanlage und der Sicherheit der geschlossenen Kajüte den geraden Kurs durch die Bucht ein. Erst als er eine Stunde später überprüfen mußte, ob der Schiffahrtskanal frei war, wandte er seinen Blick von der Wasserfläche ab. Mit einem alkoholfreien Getränk spülte er zwei Tylenol hinunter das einzige Medikament das er sich in den letzten drei Tagen zugestanden hatte. Dann lehnte er sich in seinem Kapitänssessel zurück und öffnete den Umschlag, den Sam für ihn dagelassen hatte, während der Autopilot das Boot nach Süden steuerte.
    Sie hatten nur die Fotos weggelassen. Aber auf dem einen, das man ihm gezeigt hatte, hatte er bereits genug gesehen. Aus einer handschriftlichen Notiz entnahm er - bei den Seiten im Umschlag handelte es sich nicht um Originale, sondern um Fotokopien -, daß der Professor für Neurologie dieses Material von seinem Freund, dem Gerichtsmediziner, erhalten hatte. Er bat Sam, Sorgfalt im Umgang mit den Papieren walten zu lassen. Seine Unterschrift konnte Kelly nicht entziffern.
    Auf dem Deckblatt waren »gewaltsamer Tod« und »Gewaltverbrechen« angekreuzt. Die Todesursache, so hieß es im Bericht, war manuelle Strangulation, denn der Hals des Opfers wies tiefe, eng zusammenliegende Würgemale auf.
    Die Tiefe und die Akzentuiertheit dieser Male ließen darauf schließen, daß der Gehirntod aufgrund des von der Strangulation herbeigeführten Sauerstoffmangels eingetreten war, noch bevor der Bruch der Larynx den Sauerstoffzufluß zu den Lungen unterbunden hatte. Angesichts der Striemen auf der Haut war anzunehmen, daß das dafür benutzte Instrument ein Schuhband gewesen war, und die Prellungen, die wahrscheinlich von den Fingerknöcheln eines Mannes mit einer großen Hand herrührten, deuteten an, daß der Mörder seinem Opfer während der Tat ins Gesicht gesehen hatte.
    Abgesehen davon, so führte der Bericht auf fünf einzeilig beschriebenen Seiten aus, waren dem Opfer vor seinem Tod brutale und gravierende traumatische Verletzungen zugefügt worden, die in allen Einzelheiten in der trockenen Medizinersprache aufgezählt wurden. In einem neuen Absatz stellte man fest, daß sie vergewaltigt worden war und daß der Genitalbereich zudem Prellungen und andere typische Zeichen von Mißhandlungen aufwies. Zum Zeitpunkt ihres Auffindens und der Autopsie befand sich noch immer eine ungewöhnlich große Menge an Samenflüssigkeit in ihrer Vagina, woraus sich ableiten ließ, daß an der Vergewaltigung nicht nur der Mörder beteiligt gewesen war (»Blutgruppen Null positiv, Null negativ und AB negativ, wie im beigefügten

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