Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Erlaubt sie Ihnen, sie Deb zu nennen?«
    Der Zorn stieg in ihm immer heftiger hoch. Er zwang sich zur Ruhe, indem er auf die Uhr sah.
    »Havers, ich fahre jetzt nach Newby Wiske, um zu sehen, was St. James' Untersuchungen ergeben haben. Ihnen bleiben - sagen wir - drei Stunden, um dieses Haus auseinanderzunehmen und etwas zu finden - irgend etwas, Havers, ganz gleich, was -, was uns den Weg zu Gillian Teys zeigt. Da Sie eine so bemerkenswerte Fähigkeit besitzen, sich die Fakten aus den Fingern zu saugen, dürfte das für Sie überhaupt kein Problem sein. Wenn Sie jedoch nach Ablauf dieser drei Stunden nichts vorzuweisen haben, können Sie sich als entlassen betrachten. Ist das klar?«
    »Warum entlassen Sie mich nicht gleich? Dann haben Sie's hinter sich«, schrie sie.
    »Weil ich gern die Vorfreude genieße.« Er trat zu ihr und nahm ihr das Zigarettenetui aus der schlaffen Hand. »Daze ist blond«, sagte er.
    Sie schnaubte verächtlich. »Kaum zu glauben. Setzt sie für die intimen Momente eine rote Perücke auf?«
    »Das weiß ich nicht.« Er drehte das Zigarettenetui in seiner Hand um, so daß das in den Deckel eingravierte verschnörkelte A zu sehen war. »Aber es ist eine interessante Frage. Wenn mein Vater noch am Leben wäre, würde ich ihn fragen. Das Etui hat ihm gehört. Daze ist meine Mutter.«
    Er nahm den Band Shakespeare und ging.
    Barbara stand wie gelähmt und starrte ihm nach. Während sie darauf wartete, daß das Dröhnen ihres Blutes nachließ, wurde ihr langsam das Ungeheuerliche bewußt, das sie getan hatte.
    Sie haben bis jetzt gute Arbeit geleistet ... Sie haben eine Chance, wieder zur Kripo zu kommen. Werfen Sie sie nicht weg, nur weil Sie wütend auf mich sind.
    Aber genau das hatte sie getan. Ihre wahnsinnige Wut, das Verlangen, ihn niederzumachen und zu verletzen, hatte alle ihre guten Vorsätze, sich als kompetente Mitarbeiterin zu bewähren, zunichte gemacht. Was um Gottes willen war nur über sie gekommen?
    War sie eifersüchtig? Hatte sie etwa einen wahnwitzigen Moment lang geglaubt, Lynley könne sich ihr zuwenden und sie nicht als die sehen, die sie wirklich war: eine reizlose, dickliche Frau, zornig auf die ganze Welt, verbittert, ohne Freunde und schrecklich einsam? Hatte sie sich etwa der geheimen Hoffnung hingegeben, er könne seine Zuneigung zu ihr entdecken? War es das, was sie an diesem Morgen getrieben hatte, so über ihn herzufallen? Die Vorstellung war absurd.
    Das konnte nicht sein. Das war unmöglich. Sie wußte genug über ihn, um so dumm nicht zu sein.
    Sie fühlte sich wie ausgehöhlt. Es lag an diesem Haus. An diesem Ort, wo nur noch Gespenster wohnten. Fünf Minuten zwischen diesen Wänden, und sie war soweit, aus der Haut zu fahren, die Wände hochzugehen, sich wie eine Irre die Haare zu raufen.
    Sie ging zur Tür und blickte durch das Wohnzimmer zu Tessas Gedenkschrein. Die Frau lächelte sie freundlich an. Aber lag da nicht eine Spur Siegesgewißheit in den Augen? War es nicht so, als hätte Tessa von Anfang an gewußt, daß sie nur versagen konnte, wenn sie dieses Haus betrat und seine eisige Stille spürte?
    Drei Stunden, hatte er gesagt. Drei Stunden, um das Geheimnis um Gillian Teys aufzudecken.
    Sie lachte bitter bei dem Gedanken und lauschte dem Geräusch in der Stille nach. Er wußte, daß sie das nicht schaffen würde; daß auf ihn das Vergnügen wartete, sie nach London zurückzuschicken, zurück zur uniformierten Polizei, zurück in Schmach und Schande. Welchen Sinn hatte es da, überhaupt einen Versuch zu machen? Warum packte sie nicht lieber gleich ihre Sachen und verschwand, anstatt ihm auch noch die Genugtuung zu geben?
    Sie warf sich auf das Wohnzimmersofa. Tessa sah teilnahmsvoll zu ihr herunter. Aber - wenn es ihr nun doch gelang, Gillian zu finden? Was, wenn sie erfolgreich war, wo Lynley selbst gescheitert war? Würde es dann noch eine Rolle spielen, wenn er sie zurückschickte? Würde sie dann nicht ein für allemal wissen, daß sie wirklich etwas taugte, daß sie eine wertvolle Mitarbeiterin hätte sein können?
    Es war ein durchaus überzeugender Gedanke. Sie zupfte zerstreut an dem zerschlissenen Überzug des Sofas. Das Kratzen ihrer Finger an dem groben Stoff war das einzige Geräusch im Haus. Sie blickte nachdenklich zur Treppe.

    Sie saßen an einem Ecktisch im Keys and Candle, Newby Wiskes zentral gelegenes und gut besuchtes Gasthaus. Die Mittagsgäste waren gegangen, außer ihnen hockten nur noch ein paar Stammgäste über ihrem Bier

Weitere Kostenlose Bücher