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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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in den Hof getragen hatten, versanken jetzt in moosgrünem Vergessen, Veränderungen unterworfen, die ihnen nicht ihre Würde nahmen, ihnen nur eine andere Gestalt und einen neuen Sinn gaben.
    Die Fenster waren fort. Dort, wo einst Glasmalereien Presbyterium und Chor, Hauptschiff und Querschiff geschmückt hatten, war nichts geblieben als klaffende Höhlen, die mit leerem Blick auf eine Landschaft hinausschauten, die mit Recht verkündete, daß sie allein im Kampf mit der Zeit die Oberhand hatte.
    Wie sollte man die Überreste der Abtei von Keldale definieren? Als ausgeblutete Hülle einer großen Vergangenheit oder als Werk der Vergänglichkeit, das im Zusammenbruch eine neue Zukunft verhieß? Hing es nicht allein von der Definition ab?
    Lynley hob den Kopf, als er vor dem Gasthof einen Wagen anhalten hört. Er vernahm das Öffnen und Schließen von Türen, gedämpfte Stimmen, ungleichmäßige Schritte. Er merkte, daß es allmählich dunkel wurde, und schaltete eine der Lampen ein, als St. James den Raum betrat. Er war allein, Lynley hatte es gewußt.
    Sie sahen einander an und spürten erneut die Kluft aus der Vergangenheit, die immer noch zwischen ihnen stand. Als wolle er entfliehen, ging Lynley hinter den Tresen und schenkte zwei Gläser Brandy ein. Dann trat er auf den Freund zu, reichte ihm das eine Glas.
    »Ist sie draußen?« fragte er.
    »Sie ist in die Kirche gegangen. Um sich ein letztes Mal den Friedhof anzusehen, wie ich sie kenne. Wir reisen morgen ab.«
    Lynley lächelte. »Du bist standhafter als ich. Hank hätte mich schon in den ersten fünf Minuten vertrieben. Wollt ihr an die Seen?«
    »Nein. Für einen Tag nach York, dann zurück nach London. Ich muß Montag morgen wieder am Gericht sein. Vorher brauche ich noch etwas Zeit, um eine Analyse abzuschließen.«
    »Schade, daß ihr nur so wenige Tage für euch hattet.«
    »Wir haben noch das ganze Leben vor uns. Deborah hat Verständnis.«
    Lynley nickte und sah von St. James zu den Fenstern, in denen sich ihre beiden Gestalten spiegelten. Zwei völlig unterschiedliche Männer, die eine schmerzliche Vergangenheit teilten und die, wenn er das wollte, eine reiche, erfüllte Zukunft teilen konnten. Es hing alles nur von der Definition ab. Er spülte den Rest seines Brandys hinunter.
    »Dank dir für deine Hilfe, Simon«, sagte er schließlich und gab ihm die Hand. »Du und Deborah seid wunderbare Freunde.«

    In Jonah Clarences klapprigem altem Morris fuhren sie nach Islington. Die Fahrt war nicht lang. Er sprach nichts. Die verkrampft um das Steuerrad liegenden Hände, an denen die Knöchel weiß hervortraten, verrieten seine innere Spannung.
    Sie wohnten an einer kleinen Straße, die von der Caledonian Road abging. An ihrem oberen Ende waren zwei Schnellimbisse, die vielfältige Gerüche nach bratenden Frühlingsrollen, Pizza und Fisch mit Kartoffelchips verströmten, an ihrem unteren Ende, dort wo sie in die Pentonville Road mündete, gab es eine Fleischerei. Es war eine Gegend der Stadt, die zwischen Gewerbegebiet und Wohnviertel schwankte. Textilfabriken, Mietwagenunternehmen und Werkzeugfabriken wechselten mit Straßenzügen ab, die sichtlich bestrebt waren, sich zur eleganten Wohngegend zu mausern. Keystone Crescent war eine halbmondförmig angelegte kleine Straße, mit konkaven Reihenhäusern auf der einen und konvexen auf der anderen Seite. Alle hatten sie die gleichen schmiedeeisernen Zäune, und wo früher einmal kleine Gärtchen geblüht hatten, waren jetzt betonierte Parkplätze.
    Die rußgeschwärzten Häuser waren zwei Stockwerke hoch, und jedes hatte im Souterrain eine abgeschlossene Wohnung. Doch während einige Häuser in jüngster Zeit renoviert worden waren, entpuppte sich das, vor dem Jonah Clarence seinen Wagen abstellte, als ausgesprochen schäbig. Früher einmal weiß gestrichen mit grünen Fensterrahmen, war es jetzt nur noch schmutzig, und seine einzige Zierde waren zwei offene Mülltonnen, die nicht weit von der Haustür standen.
    »Kommen Sie«, sagte Jonah tonlos.
    Er öffnete das kleine Tor und ging ihr voraus eine schmale, steile Treppe hinunter zur Souterrainwohnung. Im Gegensatz zum Haus, das dringend reparaturbedürftig war, war die Tür aus massivem Holz frisch gestrichen und hatte einen Türklopfer aus blitzendem Messing in der Mitte. Er sperrte auf, öffnete, bat Barbara herein.
    Sie sah sofort, daß die Wohnung mit liebevoller Sorgfalt eingerichtet war, als wollten ihre Bewohner damit die äußere Verwahrlosung

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