01 - Gott schütze dieses Haus
gefunden-funden-funden?
Krachendes Holz, splitterndes Holz. Nie mehr sicher. Eine letzte Chance, ehe Lot mich findet. Eine letzte Chance, mich sauberzumachen.
»O Gott! O mein Gott, Nell!«
»Ich rufe einen Krankenwagen.«
»Nein! Lassen Sie uns! Lassen Sie uns in Ruhe.«
Zupackende Hände. Abrutschende Hände. Rotes Wasser voller Blut. Arme, die mich umfangen. Jemand weint. Hüllt mich ein, hält mich warm.
»Nellie. O Gott. Nell!«
An ihn gedrückt. Ich höre ihn schluchzen. Ist es vorbei? Bin ich sauber?
»Bringen Sie sie hier heraus, Mister Clarence.«
»Hauen Sie ab. Lassen Sie uns allein.«
»Das kann ich nicht. Sie ist in einen Mord verwickelt.
Das wissen sie so gut wie ich. Wenn schon sonst nichts, sollte ihre Reaktion auf dies alles -«
»Sie hat nichts damit zu tun. Es kann gar nicht sein. Ich war mit ihr zusammen.«
»Sie erwarten doch nicht, daß ich das glaube?«
»Nell! Ich erlaube es nicht. Ich lasse sie nicht zu dir!«
Weinen, weinen. Brennende Tränen. Der Körper gepeinigt von Schmerz und Leiden. Mach ein Ende. Laß Schluß sein. »Jonah -«
»Ja, Liebes. Was ist?«
»Nell ist tot.«
»Da hat er die Tür aufgebrochen«, sagte Barbara.
Lynley rieb sich die Stirn. In den letzten drei Stunden hatte er rasende Kopfschmerzen bekommen. Das Gespräch mit Barbara machte sie noch schlimmer.
»Und?«
Stille.
»Havers?« fragte er scharf.
Er wußte, daß sein Ton brüsk klang, daß es sich nach Zorn und Ungeduld anhören würde, nicht nach der Erschöpfung, die es war. Er hörte, wie sie den Atem einsog. Weinte sie?
»Es war ... Sie hatte ...« Sie räusperte sich. »Die Wanne.«
»Was heißt das? Hatte sie ein Bad genommen?« Er fragte sich, ob Barbara sich bewußt war, daß sie völlig ungereimtes Zeug redete. Guter Gott, was war da geschehen?
»Ja. Nur - sie hatte sich abgebürstet. Den ganzen Körper. Mit Stahlbürsten. Sie blutete.«
»Mein Gott«, murmelte er. »Wo ist sie, Havers? Wie geht es ihr?«
»Ich wollte einen Krankenwagen rufen.«
»Warum, um Gottes willen, haben Sie es nicht getan?« »Ihr Mann ... er war ... Es war meine Schuld, Inspector. Ich dachte, ich müßte sie hart anfassen. Ich ... Es war meine Schuld.« Ihre Stimme brach.
»Havers, um Gottes willen. Reißen Sie sich zusammen.«
»Sie hat geblutet. Sie hatte sich den ganzen Körper mit den Bürsten abgeschrubbt. Er hat sie eingewickelt. Er weigerte sich, sie loszulassen. Er weinte. Sie sagte, sie wäre tot.«
»O Gott«, flüsterte er.
»Ich wollte zum Telefon. Da kam er mir nach. Er -«
»Ist Ihnen was passiert? Sind Sie verletzt?«
»Er hat mich rausgestoßen. Ich bin gestürzt. Es ist nichts passiert. Ich ... Es war meine Schuld. Sie kam aus dem Schlafzimmer. Ich erinnerte mich an alles, was wir über sie gesagt hatten. Es erschien mir das beste, streng mit ihr zu sein. Ich hab' nicht nachgedacht. Ich hab' mir nicht klargemacht, daß sie -«
»Havers, jetzt hören Sie mir mal zu.«
»Aber sie hat sich eingeschlossen. Das Wasser war voll Blut. Es war so heiß. Alles war voller Dampf ... Wie konnte sie das heiße Wasser nur aushalten?«
»Havers!«
»Ich hab' mir eingebildet, ich könnte mal was richtig machen. Wenigstens diesmal. Ich hab' alles verpfuscht, nicht wahr?«
»Unsinn, natürlich nicht«, entgegnete er gegen seine Überzeugung. »Sind sie noch in der Wohnung dort?«
»Ja. Soll ich jemanden vom Yard holen?«
»Nein!«
Er überlegte hastig. Schlimmer hätte die Situation gar nicht sein können. Da hatte man die Frau nach all den Jahren gefunden, und dann mußte so etwas geschehen. Zum Wahnsinnigwerden. Er wußte, daß sie allein ihnen helfen konnte, der Sache auf den Grund zu kommen. Sie war ihre einzige Hoffnung.
»Was soll ich dann -«
»Fahren Sie nach Hause. Gehen Sie zu Bett. Ich mach' das schon.«
»Bitte, Sir.« Er konnte die Verzweiflung in ihrer Stimme hören. Er konnte es nicht ändern, konnte es nicht verhindern, konnte sich jetzt darüber kein Kopfzerbrechen machen.
»Tun Sie, was ich Ihnen sage, Havers. Fahren Sie nach Hause. Rufen Sie keinesfalls im Yard an und kehren Sie nicht in diese Wohnung zurück. Ist das klar?«
»Bin ich -«
»Kommen Sie dann morgen mit dem Zug wieder hierher.«
»Und Gillian?«
»Um Gillian kümmre ich mich«, sagte er grimmig und legte auf.
Er sah zu dem Buch auf seinem Schoß hinunter. Er hatte die vergangenen drei Stunden damit zugebracht, alles aus seinem Gedächtnis hervorzukramen, was er aus seinem Studium über Shakespeare
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