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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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geisterhaftes Lächeln war über sein Gesicht geflogen, als er flüsterte:
    »Wenn du bei mir bist, hab' ich keine Angst, Barbie. Du gehst doch nicht fort, oder?«
    Es war, als hätte er hier, in der Dunkelheit des Wohnzimmers zu ihr gesprochen. Alle Gefühle stiegen wieder hoch, wie immer: der Schmerz, der sie zerreißen wollte, und dann - wie der feurige Atem der Hölle - die wahnsinnige Wut. Dies einzig Reale, das sie am Leben hielt.
    »Ich geh' nicht fort«, versprach sie. »Ich werde niemals vergessen.«
    »Kind?«
    Sie schrie auf vor Überraschung, als sie in die niederdrückende Gegenwart zurückgerissen wurde.
    »Kind? Bist du's?«
    Ihr Herz hämmerte wie verrückt, aber sie zwang sich, ruhig zu antworten. Kein Problem nach so vielen Jahren ständiger Übung.
    »Ja, Mama. Ich hab' mich nur ein bißchen hingesetzt.«
    »Im Dunkeln, Kind? Warte, ich mach' Licht, damit -«
    »Nein.« Ihre Stimme war brüchig. Sie räusperte sich. »Nein, Mama. Laß es aus.«
    »Aber ich mag die Dunkelheit nicht, Kind. Sie - sie macht mir angst.«
    »Warum bist du auf?«
    »Ich hörte die Tür. Ich dachte, es wäre vielleicht ...« Sie trat in Barbaras Blickfeld, eine gespensterhafte Gestalt in einem fleckigen rosafarbenen Morgenrock. »Manchmal denke ich, er ist zu uns zurückgekommen, Kind. Aber er wird nie zurückkommen, nicht?«
    Barbara stand abrupt auf.
    »Geh wieder ins Bett, Mama.« Sie merkte, wie rauh ihre Stimme klang, und versuchte vergebens, ihr einen sanfteren Ton zu geben. »Wie geht's Dad?« Sie nahm ihre Mutter beim Arm und führte sie aus dem Zimmer.
    »Er hatte einen guten Tag heute. Wir dachten an die Schweiz. Die Luft ist so gut und frisch dort, weißt du. Wir dachten, die Schweiz wäre am schönsten für die nächste Reise. Es ist natürlich ein bißchen früh, so bald nach der Griechenlandreise schon wieder loszufahren, aber er meint, es wäre ein guter Gedanke. Würde die Schweiz dir gefallen, Kind? Wenn du meinst, es wäre nicht das Richtige für dich, können wir uns ja immer etwas anderes aussuchen. Ich möchte, daß du glücklich bist.«
    Glücklich? »Die Schweiz ist in Ordnung, Mama.«
    Sie spürte, daß die Hand ihrer Mutter wie eine Klaue ihren Arm umklammerte. Sie gingen langsam die Treppe hinauf.
    »Gut. Ich dachte mir schon, daß es dir recht ist. Am besten fangen wir in Zürich an. Wir machen diesmal eine Rundreise, mit einem gemieteten Auto. Ich möchte so gern die Alpen sehen.«
    »Klingt gut, Mama.«
    »Dad fand das auch, Kind. Er war sogar im Reisebüro und hat mir die Prospekte geholt.«
    Barbara blieb stehen. »War er bei Mister Como?«
    Die Hand ihrer Mutter auf ihrem Arm zitterte.
    »Oh, das weiß ich nicht, Kind. Er sagte nichts von Mister Como. Ich bin sicher, er hätte es erwähnt, wenn er bei ihm gewesen wäre.«
    Sie erreichten den Treppenabsatz. Ihre Mutter blieb vor der Tür zu ihrem Schlafzimmer stehen.
    »Er ist ein neuer Mensch, wenn er nachmittags ein bißchen ausgeht, Kind. Ein ganz neuer Mensch.«
    Barbara drehte sich der Magen um, als sie daran dachte, was ihre Mutter meinen könnte.

    Jonah Clarence machte leise die Schlafzimmertür auf. Die Vorsichtsmaßnahme war überflüssig, sie war wach. Sie drehte den Kopf bei dem gedämpften Geräusch und lächelte schwach.
    »Ich hab' dir eine Suppe gemacht«, sagte er.
    »Jo -« Ihre Stimme klang so schwach, so kraftlos, daß er hastig zu sprechen fortfuhr.
    »Es ist nur eine Dosensuppe. Ich hab' dir auch ein Butterbrot gemacht.«
    Er stellte das Tablett aufs Bett und half ihr, sich aufzusetzen. Bei der Bewegung begannen mehrere tiefe Wunden wieder zu bluten. Er nahm ein Handtuch und drückte es fest auf ihre Haut; nicht nur um das fließende Blut einzudämmen, sondern auch um die Erinnerung an das, was an diesem Abend mit ihrem Leben geschehen war, zu verdecken.
    »Ich verstehe nicht -«
    »Nicht jetzt, Darling«, sagte er. »Erst mußt du etwas essen.«
    »Können wir dann reden?«
    Sein Blick glitt von ihrem Gesicht. Schnittwunden bedeckten ihre Hände und Arme, ihre Brüste, ihren Bauch und ihre Schenkel. Bei dem Anblick fühlte er eine so tiefe Qual, daß er nicht gleich antworten konnte. Aber sie sah ihn aufmerksam an, Vertrauen und Liebe in den schönen Augen, während sie auf seine Antwort wartete.
    »Ja«, sagte er leise. »Dann können wir reden.«
    Sie lächelte mit bebenden Lippen.
    Er schob ihr das Tablett auf den Schoß, aber als sie von der Suppe nehmen wollte, sah er, wie ihre Hand zitterte. Behutsam nahm er ihr

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