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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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daß sie prozeßunfähig ist.«
    »Und dann«, sagte Lynley, den Blick auf den Arzt gerichtet, »muß sie ihr Leben lang hierbleiben, nicht wahr?«
    »Bis sie wieder gesund wird.« Samuels führte sie zu einer schweren, abgeschlossenen Tür. »Sie ist da drinnen. Es ist bedauerlich, daß sie allein bleiben muß, aber in Anbetracht der Umstände ...« Er machte eine vage Geste, sperrte die Tür auf und öffnete sie. »Roberta, du hast Besuch«, sagte er.

    Er hatte Prokofieff gewählt - Romeo und Julia -, hatte die Kassette gleich eingeschoben, als sie losgefahren waren. Gott sei Dank, dachte Barbara. Gott sei Dank. Sollte die Musik, sollten die Geigen, Celli und Bratschen alles fortschwemmen, Gedanken und Erinnerungen, alles, alles, vollständig und unabänderlich, so daß nichts mehr blieb als das Hören, so daß sie nicht an das Mädchen in dem Zimmer zu denken brauchte, nicht an den Mann, der neben ihr im Auto saß.
    Selbst mit starr nach vorn gerichtetem Blick bemerkte sie noch seine Hände am Steuer, die feinen Haare auf ihnen - heller als sein Kopfhaar -, konnte jeden Finger sehen, jede Bewegung wahrnehmen, während er den Wagen lenkte, der sie nach Keldale zurückbrachte.
    Als er sich vorbeugte, um die Lautstärke einzustellen, zeigte er ihr sein Profil. Die Haut seines Gesichts war leicht gebräunt. Helles Haar, braune Augen. Eine klassisch gerade Nase. Die kraftvolle Kinnpartie. Ein Gesicht, das deutlich große innere Stärke verriet, ein Ausmaß an inneren Reserven, von dem sie keine Ahnung hatte.
    Sie hatte am Fenster gesessen, aber nicht hinausgesehen, sondern starr zur Wand geblickt, ein unförmiges Mädchen, beinahe einen Meter achtzig groß, an die zwei Zentner schwer. Sie hockte mit gekrümmtem Rücken wie geschlagen auf einem Stuhl und wiegte sich hin und her.
    »Roberta, mein Name ist Thomas Lynley. Ich bin gekommen, um mit Ihnen über Ihren Vater zu sprechen.«
    Sie wiegte sich weiter. Die Augen waren ausdruckslos, sahen nichts. Wenn sie Lynley gehört hatte, so zeigte sie es durch nichts.
    Ihr Haar war schmutzig und roch unangenehm. Es war aus ihrem breiten, runden Gesicht zurückgekämmt und wurde hinten von einem Gummiband zusammengehalten. Doch ein paar fettige Strähnen hatten sich befreit und hingen steif herunter in die Falten ihres fleischigen Nackens.
    »Pater Hart ist zu uns nach London gekommen, Roberta. Er bat uns, Ihnen zu helfen. Er sagt, er weiß, daß Sie niemandem etwas getan haben.«
    Nichts. Das Gesicht blieb ausdruckslos. Eitrige Pickel bedeckten Wangen und Kinn. Wie aufgebläht umhüllte die Haut schwammige Fettschichten, die alle Konturen, die das Gesicht vielleicht einmal gehabt hatte, überlagerten. Sie war teigig, grau, schmutzig.
    »Wir haben mit vielen Leuten in Keldale gesprochen. Wir waren bei Ihrem Vetter Richard, bei Olivia und Bridie. Bridie hat sich die Haare geschnitten, Roberta. Sie wollte so gern aussehen wie Lady Di. Aber leider ist es nichts geworden. Ihre Mutter hat sich sehr aufgeregt darüber. Sie hat uns erzählt, wie lieb Sie immer mit Bridie waren.«
    Keine Reaktion. Roberta trug einen zu kurzen Rock, der die dicken, wabbeligen Schenkel entblößte. Die weiße Haut war mit rötlich entzündeten Pusteln bedeckt. An den Füßen hatte sie Krankenhauspantoffeln, die vorn offen waren. Sie waren ihr zu klein, und die dicken Zehen hingen weit heraus.
    »Wir waren auf dem Hof. Haben Sie wirklich die vielen Bücher alle gelesen? Stepha Odell sagte, sie hätten sie alle gelesen. Es sind ja unwahrscheinlich viele. Wir haben die Fotos Ihrer Mutter gesehen, Roberta. Sie war eine sehr schöne Frau, nicht?«
    Schweigen. Die Arme hingen ihr an den Seiten herab. Die riesigen Brüste drohten den billigen Stoff der Bluse zu sprengen, die zwischen den Knöpfen auseinanderklaffte, während sich das wogende Fleisch bei jeder wiegenden Bewegung hin und her schob.
    »Roberta, was ich Ihnen jetzt sage, wird vielleicht schmerzlich für Sie sein. Wir haben heute Ihre Mutter besucht. Wußten Sie, daß sie in York wohnt? Sie haben dort noch zwei Geschwister, einen Bruder und eine Schwester. Sie hat uns erzählt, wie sehr Ihr Vater Sie und Gillian geliebt hat.«
    Die Wiegebewegungen hörten auf. Das Gesicht veränderte sich nicht, aber die Tränen begannen zu fließen. Sie rannen ihr in stummer Qual über das Gesicht. Mit den Tränen kam der Schleim. Er tropfte in einem dicken klebrigen Faden von ihrer Nase herab, berührte ihre Lippen und legte sich auf ihr Kinn.
    Lynley kauerte vor

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