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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ihr nieder. Er zog ein schneeweißes Taschentuch heraus und wischte ihr das Gesicht. Er nahm ihre schwammige, leblose Hand in seine Hände und drückte sie fest.
    »Roberta.« Sie zeigte keine Reaktion. »Ich werde Gillian finden.« Er stand auf, faltete das elegante Taschentuch mit seinem Monogramm und steckte es wieder ein.
    Was hat Webberly gesagt? dachte Barbara. Von Lynley können Sie eine Menge lernen.
    Und jetzt wußte sie es. Sie konnte ihn nicht ansehen. Sie konnte ihm nicht in die Augen blicken. Sie wußte, was sie in ihnen sehen würde, und der Gedanke, daß dieser Mann, den sie unbedingt als eingebildeten und oberflächlichen Snob hatte sehen wollen, dazu fähig war, tauchte sie in eisige Kälte.
    Er sollte der leichtsinnige Playboy sein, der in eleganten Nachtclubs tanzte, der die Frauen beglückte und jede Gesellschaft mit Charme und Witz unterhielt, der sich mit lockerer Selbstverständlichkeit in der Welt der Reichen und Privilegierten bewegte; aber doch nicht - niemals - der Mensch, den sie heute gesehen hatte.
    Er war mühelos aus dem Bild herausgetreten, das sie geschaffen hatte, und hatte es zerstört. Irgendwie mußte sie ihn wieder hineinbekommen. Wenn es ihr nicht gelang, würde das Feuer in ihr, das sie so viele Jahre am Leben gehalten hatte, erlöschen. Und dann, das wußte sie, würde sie an der Kälte sterben.
    Sie sehnte sich nur danach, seiner Gegenwart zu entfliehen. Aber als der Bentley die letzte Kurve vor dem Dorf umrundete, wußte sie augenblicklich, daß es ein schnelles Entkommen nicht geben würde. Auf der Brücke nämlich, direkt auf dem Weg, den der Wagen nehmen mußte, standen Nigel Parrish und ein anderer Mann in heftigem Streit.

9
    Dröhnende Orgelmusik schien selbst aus den Bäumen zu schallen. Sie schwoll zum Crescendo an, fiel zu sanften Tönen ab, schwoll von neuem an: ein barockes Klangwerk aus gewaltigen Akkorden, Pausen und verschnörkelten Figuren. Beim Erscheinen des Bentley gingen die beiden Männer auseinander. Der eine schrie Nigel Parrish noch eine letzte wütende Schmähung nach, ehe er in Richtung zur High Street davonging.
    »Ich glaube, ich werde mir den guten Nigel gleich mal vorknöpfen«, sagte Lynley. »Sie brauchen nicht mitzukommen, Havers. Ruhen Sie sich ein wenig aus.«
    »Ich kann selbstverständlich -«
    »Das ist ein Befehl, Sergeant.«
    Zum Teufel mit ihm. »Ja, Sir.«
    Lynley wartete, bis Barbara im Gasthaus verschwunden war, ehe er über die Brücke zu dem ungewöhnlichen kleinen Haus ging, das drüben auf der anderen Seite der Dorfwiese stand. An der Vorderfront des Hauses zog sich ein Spalier mit Rosen entlang. Unbeschnitten wucherten sie wie in der Wildnis den schmalen Fenstern zu beiden Seiten der Haustür entgegen, rankten sich an der Mauer empor und waren schon daran, in leuchtender Pracht das Dach zu erobern. Blutrot erfüllten sie die Luft mit einem schwülen Duft, der beinahe betäubend wirkte.
    Nigel Parrish war schon im Haus verschwunden. Lynley, der ihm folgte, blieb an der offenen Tür stehen und sah sich im anschließenden Zimmer um. Die donnernde Musik, die noch immer über sie hinwegdröhnte, kam aus einer Stereoanlage, die alles, was er bisher in dieser Art gesehen hatte, in den Schatten stellte. Riesige Boxen standen in allen vier Ecken des Zimmers und schufen in seiner Mitte einen brausenden Klangwirbel. Außer einer Orgel und der Stereoanlage waren nur noch ein paar alte Sessel und ein fadenscheiniger Teppich in dem Raum.
    Parrish schaltete die Anlage aus, nahm die Kassette aus dem Recorder, verstaute sie in ihrem Kästchen, legte sie weg. Er tat das alles sehr gemächlich, mit einer Präzision der Bewegung, die Lynley verriet, daß er sehr wohl von seiner Anwesenheit wußte. Es war dennoch eine gute Vorstellung.
    »Mister Parrish?«
    Ein überraschtes Zusammenzucken. Eine rasche Wendung. Ein Lächeln der Begrüßung. Doch das Zittern seiner Hände konnte er nicht verbergen. Lynley sah es, und offenbar auch Parrish, denn er schob die Hände hastig in die Hosentaschen.
    »Inspector! Ein Freundschaftsbesuch, hoffe ich? Schade, daß Sie die kleine Szene mit Ezra mit ansehen mußten.«
    »Ah, das war also Ezra.«
    »Ja. Unser lieber kleiner Ezra mit dem Honighaar und der Honigzunge.« Parrish lächelte strahlend, so künstlich, daß es jammervoll wirkte. »Der liebe Junge meinte, die künstlerische Freiheit gäbe ihm das Recht, sich in meinen Garten zu schleichen, um das Abendlicht auf dem Fluß zu studieren. Ist das nicht eine

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