01 - Gott schütze dieses Haus
Streifen, die sich über den Boden zum Bett zogen. Ein kühler Wind strich durch die Vorhänge und trug das Gezwitscher erwachender Vögel und das ferne Blöken von Schafen herein. Aber das alles nahm er nur am Rande wahr. Er lag im Bett und fühlte nur die Depression, die überwältigende Verzweiflung und gleichzeitig das brennende Begehren. Ach, könnte er sich jetzt zur Seite drehen und sie dort finden, das rote Haar auf dem Kissen ausgebreitet, die Augen im Schlaf geschlossen. Ach, könnte er sie jetzt wecken, ganz behutsam, und mit seinem Mund und seinen Fingern die feinen Veränderungen wahrnehmen, die ihr Verlangen verrieten.
Er schlug die Decke zurück. Wahnsinn, dachte er. Blindlings, ohne zu überlegen, zog er sich an, nahm einfach, was ihm gerade in die Hände fiel. Nur fliehen!
Er packte einen Pullover und stürzte aus dem Zimmer, rannte die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus. Da erst fiel ihm ein, auf die Uhr zu sehen. Es war halb sieben.
Dunstschleier lagen über dem Tal, drehten sich sanft um schlafende Häuser und deckten den Fluß zu. In der High Street war alles still, waren alle Läden geschlossen. Selbst der Krämer hatte noch nicht angefangen, seine Obstkisten auf die Straße zu schleppen. Die Fenster von Sinjis Haarstudio waren dunkel, die Methodistenkapelle vergittert.
Er ging zur Brücke, brachte fünf sinnlose Minuten damit zu, Steine ins Wasser zu werfen, und wurde schließlich vom Anblick der Kirche abgelenkt.
Freundlich blickte die St.-Catherine's-Kirche von ihrer kleinen Anhöhe aufs Dorf herab, genau der Ort für ihn, die Geister der Vergangenheit auszutreiben.
Er machte sich langsam auf den Weg.
Es war eine stolze kleine Kirche, ein schöner normannischer Bau, von alten Bäumen umgeben, die den Friedhof mit den verfallenen Grabsteinen beschatteten. Das Halbrund der Apsis war von mehreren mit Glasmalereien geschmückten Fenstern durchbrochen, und am anderen Ende stand der Glockenturm, in dem Scharen gurrender Tauben hausten. Einen Moment lang sah er ihnen zu, wie sie dort oben herumflatterten, dann ging er den Kiesweg zum überdachten Friedhofstor hinauf.
Langsam spazierte er zwischen den alten Gräbern hindurch, sah sich die Grabsteine an, die teilweise so verwittert waren, daß die Inschriften nicht mehr zu lesen waren. Überall wucherten Gräser und Unkräuter, die noch feucht waren vom Morgendunst. Moos wuchs auf feuchten Steinen, die niemals die Sonne traf, weil die Bäume ihre dichtbelaubten Äste über ihnen ausspannten.
Über einige umgestürzte Grabsteine, etwas von der Kirche entfernt, neigte sich eine Gruppe dunkler Zypressen, die beinahe aussahen wie menschliche Gestalten. Neugierig ging er näher, und da bemerkte er sie.
So typisch für sie: die Hosenbeine der verblichenen Jeans hochgerollt, stieg sie barfuß durchs hohe, feuchte Gras, um die Gräber im günstigsten Licht und aus dem besten Blickwinkel einzufangen. Und auch das war typisch für sie, daß ihre Umwelt für sie versunken zu sein schien. Sie kümmerte sich nicht um den Schmutzfleck an ihrem nackten Bein, bemerkte nicht das karminrote Blatt, das sich in ihrem zerzausten Haar gefangen hatte, nahm nicht wahr, daß er keine zehn Meter von ihr entfernt stand und sie voller Sehnsucht beobachtete, während er hoffnungslos wünschte, sie wäre wieder das, was sie einmal in seinem Leben gewesen war.
Der niedrige Bodennebel enthüllte und verbarg immer andere Orte. Das Licht der Morgensonne spielte auf den Steinen. Ein neugieriger Vogel sah mit glänzenden Augen von einem Grabstein in der Nähe herüber. Er nahm das alles nur verschwommen wahr, aber er wußte, daß sie es mit ihrer Kamera einfangen würde.
Er sah sich nach Simon um. Sicher saß er irgendwo in der Nähe und sah seiner Frau bei ihrer Arbeit zu. Doch er war nirgends zu entdecken. Sie war ganz allein.
Er fühlte sich von der Kirche mit ihrer Verheißung von Trost und Frieden verraten. Es hat keinen Sinn, Deb, dachte er, während er sie beobachtete. Nichts macht mich vergessen. Ich möchte, daß du ihn verläßt. Verrätst. Zu mir zurückkommst. Denn du gehörst zu mir.
Sie blickte auf, strich sich das Haar aus dem Gesicht und sah ihn an. An ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, daß er seine Gedanken ebensogut laut hätte aussprechen können. Sie verstand sofort.
»O Tommy.«
Nein, sie würde nicht Theater spielen, würde die Stille nicht mit amüsantem Geplauder überbrücken wie Helen. Ganz im Gegenteil, sie biß sich auf die Lippe und
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