01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
könnte Fenella dann ein paar Tage dort wohnen?«
»Da sind doch Tante Gertrude und Onkel Ned, Phil. Reading ist nicht so weit weg, oder? Tante Gertrude würde ich gerne besuchen, und außerdem hätte ich auch gerne mehr als nur eine Tasse Tee gefrühstückt. Daß du so drängeln mußt.« Fenella zog ihre Handschuhe ab, und Daisy sah, daß der Verlobungsring nicht mehr am Finger steckte.
»Na, meinetwegen«, murmelte Phillip. »Ich werd mal Tante Gertrude anrufen und zusehen, daß das auch in Ordnung geht. Zum Henker, Officer, dann sagen Sie dem Burschen von Lord Wentwater, daß wir später abreisen. Er möchte das Automobil wieder in die Garage stellen.«
»Jawohl, Sir.« Piper salutierte, öffnete die Tür gerade weit genug, um hindurchzuschlüpfen, und schloß sie dann fest hinter sich.
»Also komm, Fenella«, sagte Daisy, »auf ins Frühstückszimmer. Ich sterbe vor Hunger.«
Auf dem Weg zum Telephontischchen in der Ecke der Halle wandte sich Phillip um, die Stirn in tiefe Falten gelegt. »Du solltest dir wohl lieber ein Tablett auf dein Zimmer bestellen, Fenella.«
Daisy zog fragend die Augenbrauen hoch. »Ich versichere dir, daß ich gut auf sie aufpassen werde, damit sie am Frühstückstisch nicht ermordet oder auf Abwege geführt wird. Von mir aus kann Fenella sich an mich hängen wie eine Klette, bis Mr. Fletcher wieder da ist. Du kommst doch dann auch zu uns, nicht wahr, wenn du fertig telephoniert hast?«
»Ja. Ich hab ja auch nur eine Tasse Kaffee und einen Muffin zu mir genommen, und ich hab noch ziemlich großen Appetit«, gab er mit einem verlegenen Grinsen zu.
Daisy und Fenella fanden Sir Hugh im Frühstückszimmer vor, er hatte sich hinter der Financial Times verschanzt. Er ließ die Zeitung kurz sinken, um ihnen einen guten Morgen zu wünschen. Sein Teller und seine Tasse waren schon leer, bemerkte Daisy mit Erleichterung. Als sich die Mädchen ihr Frühstück von der Anrichte genommen hatten, faltete er die Zeitung zusammen und stand auf.
»Noch nichts über diese Angelegenheit in den Zeitungen«, sagte er anerkennend. »Die Leute von Scotland Yard haben uns wirklich einen guten Mann heruntergeschickt.«
»Gibt es irgendwelche Meldungen über den Schmuckraub bei Lord Flatford?« fragte Daisy.
»Nur einen Absatz: Die Polizei hält einen Mann zur Befragung fest. Sie erwarten, ihn demnächst in Untersuchungshaft zu nehmen. Aber die Financial Times befaßt sich nicht so sehr mit dieser Sorte Nachrichten. Die Daily Mail liegt auf dem Tisch in der Halle.«
Daisy dankte ihm. Ihr war klar, daß sie mehr von Mr. Fletcher erfahren würde als von der Mail. Außerdem hatte sie viel größere Lust, mit Fenella über ihren überstürzten Aufbruch zu sprechen.
Kaum hatte Sir Hugh den Raum verlassen, fragte sie also: »Deine Eltern wollen, daß du nach Hause kommst?«
»Ich will hier weg. Ich kann James nach dieser ganzen Geschichte doch nicht mehr heiraten.«
»Sehr vernünftig. Er ist kein angenehmer Mensch.«
»Phillip hat ihn sogar einen verflixt gefährlichen Typen genannt«, offenbarte Fenella, wobei sie über die Schulter zur Tür blickte. »Was soll ich denn bloß machen, wenn er hier hereinkommt?«
»Du sagst guten Morgen und hüllst dich dann in würdevolles Schweigen«, riet ihr Daisy und spießte ein Stück Wurst auf.
»Hast du ihn sehr geliebt?«
»Ich weiß es eigentlich nicht so genau. Ich glaube nicht, weil ich im Moment eher entsetzt als traurig bin. Er war immer sehr höflich und freundlich, und als Mummy mir gesagt hat, er hätte um meine Hand angehalten, da dachte ich, es wäre schön, eines Tages eine Gräfin zu sein. Nur war er so unglaublich gemein zu Lady Wentwater, daß ich mir nie sicher sein kann, daß er später nicht auch einmal so gemein zu mir ist, nicht wahr?«
»Du hast ganz recht. Das sind ja unglaublich köstliche Würstchen.«
»Die Köchin macht sie selbst. James hat mir die Schweine auf dem Hof gezeigt. Er ist ganz begeistert von der Landwirtschaft, und ich mag Tiere auch. Ich hab wirklich gedacht, wir könnten miteinander glücklich werden.« Sie schniefte unglücklich. »Was, wenn niemand sonst mich heiraten will?«
Eilig machte Daisy ihr Mut: »Ich bin doch auch nicht verheiratet, und damit geht es mir bestens«, sagte sie. Als sie Fenella erbleichen sah, fügte sie rasch hinzu: »Aber ich bin mir sicher, daß du mit Leichtigkeit einen Mann finden wirst. Die Jungens in deinem Alter waren schließlich nicht im Großen Krieg. Du warst doch noch gar nicht
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