01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis
ihr Lächeln schwand, als hätte sie seinen inneren Rückzug bemerkt, »aber ich habe mir gedacht, wenn er hier abreist, während sie weg sind, verzeihen Sie mir das nie. Verdächtigen Sie ihn eigentlich noch?«
»Das muß ich. Die Aussage des Portiers und dazu noch die Schlittschuhe an Astwicks Füßen schließen eine Täterschaft von außen, die irgendwie mit seinen finanziellen Machenschaften oder mit den Juwelendiebstählen zusammenhängen könnte, praktisch aus.«
»Haben Sie sonst noch was über die Diebstähle herausgefunden?« fragte sie eifrig. »Hat Payne schon was erzählt? Der Mann, den sie im Lanchester gefaßt haben, ist doch sicher Payne?«
»Unser Freundchen hat zugegeben, Astwicks >persönlicher Gentleman< zu sein, aber das ist auch schon alles, was wir aus ihm herausbekommen haben. Er hat das auch nur zugegeben, als wir ihm erzählten, wir hätten die Beute gefunden, die Pässe und die Fahrkarten nach Rio, und daß wir außerdem seine Lordschaft festgenommen hätten.«
»Festgenommen?«
»Einer unserer kleinen Tricks, funktioniert erstaunlich oft. Die Leute wollen dann ihrem Komplizen die Schuld in die Schuhe schieben und fangen an zu singen wie die Vögelchen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Lord Stephen behaupten würde, sein Diener hielte in dieser Sache die Fäden in der Hand«, sagte Daisy. »Das wäre ja unglaublich erniedrigend.«
»Payne kann es anscheinend auch nicht. Er war vollkommen ungerührt. Wenn er aber erst mal ein paar Stunden hinter Gittern verbracht hat, werden wir schon sehen, ob ihm die Nachricht von Astwicks Tod die Zunge lockert. In der Zwischenzeit haben wir auf allen Straßen in der Gegend, in der wir ihn aufgestöbert haben, Blockaden eingerichtet, und die halbe Polizei von Hampshire durchsucht da gerade die Landschaft. Die Angelegenheit ist jedenfalls unter Dach und Fach. Ich wünschte, von dieser hier könnte ich dasselbe sagen. Haben Sie irgend etwas Neues?«
»Wenn Sie von Fenellas geplatzter Verlobung gehört haben, dann wissen Sie ja wohl über James' Auftritt Bescheid. Und somit haben Sie auch bestimmt schon erfahren, daß Geoffrey ihm eins übergebraten hat. Piper hat das bestimmt schon von den Dienern gehört ...«
»Jawohl, Miss«, bestätigte der junge Ernie stolz.
»... obwohl ich schwören könnte, daß zu der Zeit keiner im Raum war, und ich kann mir nicht vorstellen, wie sie das herausgefunden haben.«
»Der Diener wollte gerade reingehen und das Feuer anzünden, Miss, als das alles passiert ist.«
»Da war doch was von wegen Diener und Niesen?« neckte Alec sie, der seinen Entschluß zur professionellen Distanz schon vergessen hatte. »Trotzdem würde ich die Geschichte gerne noch mal von Ihnen hören, um sicher zu sein, daß das, was ich gehört habe, auch den Tatsachen entspricht.«
Im wesentlichen entsprach ihr Bericht dem, was Ernie erzählt hatte, und wieder einmal war Alec von dem »Spionagesystem« der Diener beeindruckt. Ein Detail hatte allerdings seine Aufmerksamkeit erregt.
»Sie sagten vorhin, Geoffrey hätte Lady Wentwater einen herzzerreißenden Blick zugeworfen, als er das Wohnzimmer verließ. Was meinten Sie denn damit?«
Sie zögerte. »Ich wünschte, das hätte ich nicht gesagt. Schließlich kann ich mir das auch nur eingebildet haben. Aus einem kurzen Gesichtsausdruck kann man keine Schlußfolgerungen ziehen.«
»Schlußfolgerungen vielleicht nicht, aber man kann doch Hinweise gewinnen, sonst könnte ich meine Arbeit ja gleich lassen. Sagen Sie es mir.«
»Na, dann zeige ich es Ihnen«, sagte sie mit einem Seufzen, »oder, genauer gesagt, ich zeige Ihnen etwas, das meinen Eindruck zu bestätigen scheint. Eine Photographie. Sie ist in der Dunkelkammer.« Sie machte Anstalten aufzustehen.
»Können Sie Piper beschreiben, wo sie zu finden ist? Gut.«
Er schickte den Constable los, das Photo zu holen. »Wir lassen mal das Thema Geoffrey auf sich beruhen, bis er wieder da ist. Wie ich höre, ist Lady Marjorie wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Haben Sie schon mit ihr gesprochen?«
»Ja.« Wieder schien Daisy nur zögernd antworten zu wollen. »Oder vielmehr, sie hat mit mir gesprochen. Sie wollte, daß ich Annabel etwas sage: Sie würde nicht wirklich glauben, daß Annabel versucht hätte, ihr Lord Stephen wegzunehmen.«
»Womit sie also erkannt hat, daß Astwick in diesem Stück der Bösewicht war.«
»Sie hat ihn einen miesen Typen genannt«, gab Daisy zu. Offensichtlich erkannte - und bedauerte - sie, daß
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