01 - Nacht der Verzückung
Lumpen.
»Kann
ich ihn haben?«, fragte Neville. »Ich möchte ihn kaufen?« Er zog seine
Geldbörse aus der Tasche, entnahm eine Zehn-Pfund-Note und reichte
sie ihr.
Sie sah
ihn misstrauisch an. »Seid Ihr verrückt?«, fragte sie Seine Lordschaft. »Das
ist weit mehr, als ich und meine Jungens in einem Jahr verdienen. Für diese
alte Tasche?«
»Bitte.«
Neville lächelte. »Wenn zehn Pfund nicht genug sind, werde ich den Betrag
verdoppeln.«
Doch
Bessie Doyle hatte ihren Stolz. Seine Lordschaft von den Schlammigen Stiefeln
mochte verrückt sein, aber sie war keine Diebin. Sie entleerte den Inhalt des
Tornisters auf den Boden, überreichte ihn mit der einen Hand und nahm mit der
anderen die zehn Pfund.
Der
saubere, unförmige Tornister, der seinem Sergeant gehört hatte, lag während der
gesamten Rückfahrt nach Newbury auf dem Sitz gegenüber Nevilles in der Kutsche.
Er war Lilys einziges Erinnerungsstück an ihren Vater. Er hätte hundert Pfund
dafür bezahlt - tausend. Aber er verspürte auch Enttäuschung. Hatte Mrs.
Doyle unbeabsichtigt einen Brief oder ein Päckchen verbrannt, das für Lily
etwas Wichtiges enthalten hatte?
Neville
wollte noch einen Monat auf Newbury bleiben, bevor er in sein Stadthaus nach
London ziehen würde. Zwei Wochen waren seit seiner Rückkehr aus Leicestershire
vergangen. Erst die Hälfte eines Monats und die anderen Hälfte lag noch vor
ihm! Und dann könnte sich die schwache Hoffnung, die ihn getragen hatte, als
illusorisch erweisen. Lily, vermutete er, war nicht so einfach zu bewegen, ihre
Haltung zu ändern.
Doch
als der Monat fast vorüber war, noch bevor er sich zu einem genauen
Abreisetermin entschlossen hatte, erhielt er einen Brief von Elizabeth.
»Ach
habe dir dies hier besorgt«, hatte sie in einer kurzen Note geschrieben, »indem
ich bekannt werden ließ, dass du vorhabest, in Kürze in die Stadt zu kommen. Du
wärst sicherlich gern anwesend, Neville.«
Beiliegend
fand er eine Einladung zu einem Ball bei Lady Ashton auf dem Cavendish Square.
Neville
nickte in die Leere der Bibliothek. »Ja«, sagte er laut. »0 ja, Elizabeth. Ich
werde da sein.«
Kapitel 18
Lady Ashtons
jährlicher Ball am Cavendish Square war wie immer eines der großen Ereignisse
der Saison. Und es war der Ball, den Lady Elizabeth Wyatt auserkoren hatte, um
ihre Gefährtin in die Gesellschaft einzuführen.
Elizabeth
hatte viele Freunde und Bekannte. Eine Vielzahl davon hatte sie in dem Monat
seit ihrer Rückkehr nach London besucht und sie selbst hatte ebenfalls viele
Besuche gemacht. Auch hatte sie sich auf vielen Abendveranstaltungen gezeigt.
Aber niemand hatte ihre neue Gesellschafterin, Miss Doyle, zu Gesicht bekommen
oder irgendwelches Interesse an ihr gezeigt, bis Elizabeth bei einem
Abendessen kurz vor dem Ashton Ball rein zufällig die Bemerkung fallen ließ,
dass Lily Doyle und die Frau, die bei der Trauung des Grafen von Kilbourne im
Frühjahr für so viel Aufregung gesorgt hatte, ein und dieselbe Person waren.
jeder
wusste über Lily Bescheid. In diesem Frühjahr war sie die vielleicht
berühmteste oder besser die berüchtigtste Frau Englands - zumindest bei
den Mitgliedern der beau monde. Allein ihr Auftauchen in der Kirche von
Newbury, das eines der größten gesellschaftlichen Ereignisse des Jahres
gesprengt hatte, war zweifelsohne ausreichend, um eine ganze Saison lang und
darüber hinaus für Gesprächsstoff zu sorgen. Aber lange bevor diese Sensation
in Vergessenheit geraten konnte, wurde der Rest der köstlich bizarren
Geschichte enthüllt - Lily war letztendlich überhaupt nicht die Gräfin
von Kilbourne, da ihre Heirat mit dem Grafen nie ordnungsgemäß registriert
worden war.
Lilys
Geschichte war in jedem eleganten Salon und Speisezimmer Londons erzählt und
diskutiert worden. Es gab noch viele offene Fragen, sodass sich unendlich viele
Gesprächsthemen boten: Wer war sie? Warum hatte Kilbourne sie geheiratet?
Warum hatte er niemals irgendjemandem davon erzählt? Wo genau war sie die
ganze Zeit gewesen, während Kilbourne sie für tot gehalten hatte? Was war
geschehen, nachdem Kilbourne die Wahrheit über die Unrechtmäßigkeit ihrer Ehe
herausgefunden hatte? Hatte sie ihn auf Knien angefleht, sie nochmals zu heiraten?
Hatte sie wirklich damit gedroht, sich von einer Klippe zu stürzen? Gab es
genauere Angaben über die Höhe der Abfindung, die Kilbourne gezwungen gewesen
war, an sie zu zahlen? War sie wirklich so vulgär, wie alle behaupteten? Wohin
war sie
Weitere Kostenlose Bücher