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01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
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über irgendetwas und Gwendoline bat sie, sich
doch bitte nicht zu wiederholen. Der Marquis fragte mit betont gelangweilter
Stimme, ob irgendjemand schon einmal von Stürmen in einem Wasserglas gehört
habe, und Pauline unterdrückte ein Lachen. Zwei starke Arme packten Lily und
hoben sie vom Felsen, während sie noch immer nach einem sicheren Tritt suchte.
    Er
drehte sie um und lächelte sie an, die Hände noch immer an ihrer Taille. »Als
ich dich dort oben sah«, sagte er, »hatte ich auf einmal das Bild vor Augen,
wie du auf einem Felsüberhang sitzt und über die Hügel Portugals blickst.« Doch
sein Lächeln erstarb, noch bevor er zu Ende gesprochen hatte. »Es tut mir Leid.
Das war kurz bevor dein Vater starb.«
    Und nur
Stunden vor ihrer Heirat. Wie sehr musste er bedauern, dass all dies je
geschehen war. Wie sehr bedauerte sie es.
    Die
Gesellschaft hatte sich in einer Atmosphäre allgemeiner Verlegenheit und
Missstimmung auf den Rückweg zum Tal und dem Pfad zum Haus begeben. Lily und
Neville folgten in kurzem Abstand.
    »Es tut
mir Leid«, sagte sie.
    »Nein«,
erklärte er mit Nachdruck. »Nein, das darf es nicht, Lily. Es darf dir nicht
immer alles Leid tun. Du musst dein Leben auf deine Art leben.«
    »Aber
ich habe Miranda in Schwierigkeiten gebracht«, sagte sie. »Ich habe nicht
nachgedacht.«
    »Ich
werde mit Tante Theodora sprechen«, sagte er. »Es ist nichts Schlimmes geschehen,
das musst du wissen.«
    »Nein«,
sagte sie. »Ich werde mit ihr sprechen. Du musst mich nicht immer
beschützen. Ich bin kein Kind.«
    »Lily«,
sagte er leise. »Es läuft nicht besonders gut im Moment, oder? Lass uns ein
wenig Zeit für uns nehmen, einverstanden? Lass mich dir die Hütte zeigen.«
    »Die im
Tal?«, fragte sie ihn.
    Er
nickte. »Mein privater Schlupfwinkel. Mein Zufluchtsort, wenn ich Frieden und
Ruhe brauche. Ich werde sie dir zeigen.«
    ***
    Er nahm ihre Hand
und verflocht seine Finger mit ihren. Es war ihm egal, ob sich einer der
Vorangehenden umsah. Schließlich waren sie verheiratet.
    »Die
Hütte gehört also dir?«, fragte sie ihn. »Sie ist sehr hübsch.«
    »Meine
Großmutter war Malerin«, erläuterte er. »Sie liebte es, allein zu sein und zu
malen. Mein Großvater ließ für sie die Hütte errichten, an dem mit Sicherheit
schönsten Fleckchen Erde des gesamten Besitzes. Sie ist möbliert und wird
einmal im Monat gesäubert und gelüftet. Eigentlich steht sie uns allen zur
Verfügung, aber ich glaube, dass sie mittlerweile als mein spezieller
Zufluchtsort angesehen wird. Auch ich bin manchmal gern allein und habe meine
Ruhe.«
    Sie
lächelte ihn an. Offensichtlich konnte sie derlei gesellschaftsfeindliche
Bedürfnisse gut nachvollziehen.
    »Das
ist eines der Dinge, die ich beim Militär als besonders hart empfand«, sagte
er. »Das Fehlen einer Privatsphäre. Das musst auch du verspürt haben, Lily. Und
dennoch hattest du etwas an dir ... es fiel mir auf, dass du oft deiner
eigenen Wege gingst, wenn auch nie außer Sichtweite deines Vaters. Du pflegtest
dich allein hinzusetzen oder alleine dazustehen und dich umzusehen. Ich stellte
mir immer vor, dass du eine Welt entdeckt hattest, die mir und fast allen
anderen verschlossen war. War es so?«
    »Es
gibt einige Orte«, sagte sie, »die mehr als andere eine besondere Anmut haben.
Orte, an denen man ... an denen man Gott fühlt. Es ist mir nie möglich
gewesen, in einer Kirche die Anwesenheit Gottes zu spüren. Ich fühle mich dort
eher eingeschlossen, erdrückt, wie es mir in vielen Gebäuden ergeht. Aber es
gibt Orte von ungewöhnlicher Schönheit und Frieden und ... Heiligkeit.
Doch sie sind rar. Ich hatte nicht so ein Tal wie deines, als ich aufwuchs,
oder einen Wasserfall oder einen Teich oder eine Hütte. Und während der Zeit
beim Regiment fand ich auch nicht viele solcher Orte, obwohl es durchaus einige
gab. Ich lernte zu ... zu ...«
    »Was?«
Er neigte den Kopf näher zu ihr. Er hatte sich in der Vergangenheit oft mit
Lily unterhalten, manchmal eine Stunde lang oder mehr. Sie hatten sich immer
miteinander wohl gefühlt, trotz ihres unterschiedlichen Geschlechtes und
Ranges. Er hatte das Gefühl gehabt, sie gut zu kennen. Aber er hatte sie nie
nach ihrer eigenen Welt gefragt, hatte sie nur beobachtet. Ihr Charakter besaß
Tiefen, die ihm immer noch unbekannt waren. Aber es gab dort eine große
Schönheit, vermutete er, und auch Weisheit trotz ihrer Jugend und dem Fehlen
einer Schulbildung. Es gab nichts Seichtes an seiner

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