Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Nacht der Verzückung

01 - Nacht der Verzückung

Titel: 01 - Nacht der Verzückung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Balogh
Vom Netzwerk:
als er es bemerkte, schien
mit seinen übrigen Gefühlen unvereinbar zu sein. Aber es half ihm, sich daran
zu erinnern, dass das Leben selbst nach den schlimmsten Umwälzungen weitergeht.
    Er
würde den Tornister von Lilys Vater finden, dachte er plötzlich, wenn es nur
irgendwie menschenmöglich war. Was auch immer er enthalten haben mag, mochte
verschwunden sein, besonders wenn es sich um Geld gehandelt hatte, aber
vielleicht würde er einen Teil wieder ausfindig machen können. Sie musste ganz
ohne Erinnerungsstück an ihren Vater sein. Er erinnerte sich an ihre Worte, als
er ihr die Galerie gezeigt hatte. Es musste furchtbar sein, keine Familie mehr
zu haben, diejenigen, die noch lebten, nicht zu kennen und alles verloren zu
haben, was einen mit den Eltern verband.
    Das war
das Einzige, was er für sie tun würde. Wenn der Tornister irgendwo auf dieser
Erde noch existierte, würde er ihn finden - und wenn es den Rest seines
Lebens dauern würde. Er würde ihr etwas von ihrem Vater zurückbringen.
    Es war
ein gewisser Trost zu wissen, dass es etwas gab, das er tun konnte, und wenn es
noch so gering war.
    »Nev.«
Joseph, Marquis von Attingsborough, legte ihm eine Hand auf die Schulter, als
sie den Speiseraum verließen. »Du brauchst heute Abend kein Salongeplauder,
alter Freund. Du brauchst einen ordentlichen Rausch. Hättest du etwas gegen
gleichgesinnte Gesellschaft?«

Kapitel 16
    Lily saß noch immer
in dem Sessel, den sie sich nahe ans Fenster gerückt hatte, die Beine seitwärts
unter sich gelegt. Seit sie aus der Bibliothek die Treppen heraufgeeilt war und
sich mit rasender Eile die hübschen Kleider, die ihr erst kürzlich geschenkt
worden waren, vom Leib gerissen und ihr altes Baumwollkleid angezogen hatte,
war sie erst einmal aufgestanden. Sie war aufgestanden, um die Decke vom Bett
zu nehmen und sie sich umzulegen. Der Abend war frisch geworden, doch sie
wollte das Fenster nicht schließen. Sie starrte weiter hinaus in die
Dunkelheit.
    Das
leichte Klopfen an ihrer Schlafzimmertür störte sie nicht. Sie ignorierte es
einfach. Sicher war er es und sie konnte ihn nicht ansehen oder mit ihm
sprechen. Ihr Entschluss könnte ins Wanken geraten und sie könnte sich an ihn
klammern - für den Rest ihres Lebens. Sie durfte das nicht zulassen.
Liebe war nicht genug. Sie liebte ihn - sie betete ihn an - aus
tiefstem Herzen, aber es war einfach nicht genug. Sie gehörte nicht in sein
Leben. Er gehörte nicht in ihres - obwohl jener Gedanke in gewisser
Hinsicht beängstigend war. Sie hatte kein Leben. Aber sie weigerte sich, sich
von der gähnenden Leere einschüchtern zu lassen, die sich hinter jener letzten
Nacht auf Newbury Abbey auftat.
    »Lily?«
Es war Elizabeths Stimme. »Darf ich eintreten, mein Liebes? Darf ich mich zu
dir setzen?«
    Lily
sah auf. Wie gewöhnlich war Elizabeth der Inbegriff von verhaltener Eleganz in
einem dunkelgrünen, hochtaillierten Kleid, das blonde Haar in eine sanft
schimmernde Frisur gelegt. Sie war die klassische Aristokratin, Tochter eines
Grafen, gebildet, vollendet, eine Frau von makellosem und doch leichtfüßigem
Auftreten. Und sie bat darum, sich zu der Tochter eines Sergeants setzen zu
dürfen -zu Lily Doyle. Nun gut. Lily war immer schon auf ihren Vater
stolz gewesen, sie hielt die zärtliche Erinnerung an ihre Mutter in Ehren, sie war
dazu erzogen worden, sich selbst zu lieben und zu achten. Ihre Selbstachtung
hatte während jener sieben Monate gelitten, in denen sie ihr Überleben vor den
Widerstand gestellt hatte, aber sie hatte sich erholt. Es gab nichts an ihr
oder an ihrem Leben oder ihrer Herkunft, dessen sie sich zu schämen brauchte.
    Sie
nickte und blickte wieder hinaus in die Dunkelheit.
    Elizabeth
zog einen Sessel an ihren und setzte sich. Sie nahm Lilys Hand in beide Hände.
Sie waren warm. Zum ersten Mal fiel Lily auf, dass ihr immer noch kalt war,
obwohl die Abendluft im Grunde überhaupt nicht kühl war.
    »Wie
ich dich bewundere, Lily«, sagte Elizabeth.
    Lily
sah sie erstaunt an.
    »Du
hast etwas getan, was sowohl für Neville als auch für dich das Richtige ist«,
sagte Elizabeth. »Aber es ist dir nicht leichtgefallen. Du hast eine Menge
aufgegeben.«
    »Nein.«
Lily schüttelte den Kopf. »Es ist nicht schwer, Newbury und all das
aufzugeben.« Sie vollführte mit ihrem freien Arm eine allumfassende Geste. »Du
verstehst das nicht. Dies ist die Art von Leben, in das du hineingeboren bist.
Ich bin im Tross einer Armee aufgewachsen.«
    »Was
ich

Weitere Kostenlose Bücher