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01 - Neptun kann warten

Titel: 01 - Neptun kann warten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey A. C arver
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höchstens, aber es kam ihm wie eine Stunde vor. Es war nicht leicht gewesen, die Distanz mit einem Verband im linken Anzugbein zurückzulegen; im Schwerefeld der Erde wäre es sogar unmöglich gewesen. Er ließ den Blick über die Oberfläche aus gefrorenem Stickstoff und Methan wandern. /Ist es hier?/ Die Umgebung erschien ihm vage vertraut; aber hier draußen kam es nicht selten vor, dass eine Stelle der anderen glich. Und als er zuletzt hier gewesen war, hatte der Translator sich sogar die Mühe gemacht, aktiv ins Landschaftsbild einzugreifen.
    Das Quarx antwortete ihm nicht. Aber einen Augenblick später spürte er, dass seine Füße langsam im Eis versanken. Dann stürzte er, plötzlich umwirbelt von Lichtfunken, bis sein Sehvermögen und der Rest seines Bewusstseins eigenartig schwammig zu werden schienen, verschwammen …
     
    ***
     
    Er blinzelte in die Dunkelheit. Als seine Augen sich an das äußerst matte Licht gewöhnt hatten, erkannte er, dass er unmittelbar vor dem Translator stand – vor derselben Maschine mit ihren pulsierenden, sich drehenden, schwarzen und irisierenden Kugeln, die an Seifenblasen erinnerten und ihn auf seine verrückte Mission geschickt hatten. Er glaubte zu träumen, und doch wusste er, dass dem nicht so war. Der Translator sah sogar noch lebendiger aus als beim letzten Mal; dieses Ding stammte nicht von den fremdartigen Rohengen, die vor Millionen von Jahren, lange vor den Menschen, auf Triton gelebt hatten, sondern von einer Spezies, die sogar noch weit tiefer in Zeit und Raum verloren war. Bandicut spürte zwar, dass er unter der Mondoberfläche in der Eishöhle stand, sah aber nichts, was diesen Eindruck bestätigt hätte; sein Blickfeld wurde völlig dominiert von den sich drehenden Kugeln, die einander umkreisten und sich zuweilen gegenseitig durchdrangen.
    Er empfing ein greifbares und dringliches Gefühl von zielstrebiger Entschlossenheit, das vom Translator ausging. Zudem bemerkte er diesmal etwas, dass ihm beim ersten Mal nicht aufgefallen war: einen merkwürdigen Punkt aus Dunkelheit, der in einer der schillernden Kugeln trieb wie ein winziger Schatten im Licht. Der Punkt lenkte Bandicuts Aufmerksamkeit auf sich, weil er nicht lediglich wie ein Fleck aus physischer Materie, sondern vielmehr wie ein rein geometrischer Punkt aussah. Das Wort Singularität flackerte in Bandicuts Verstand auf, aber er wusste nicht, ob man das Ding tatsächlich so nennen konnte; aber noch während er darüber nachsann, zog es mit einer ruckartigen Bewegung Bandicuts Blick in seinen Bann. Sein Blick richtete sich auf diesen Punkt der Schwärze und versank darin. Bandicuts Atem schoss ihm mit explosionsartiger Wucht aus den Lungen.
    Er stürzte in ein mikroskopisch kleines Universum der Dunkelheit, und tief in diesem Universum sah er Feuer tanzen – der Anblick beunruhigte ihn. Es handelte sich nicht um eine chemische Verbrennung, sondern um etwas weit Fundamentaleres, ein Brennen und Verschmelzen tief in den allerkleinsten Bausteinen der Raumzeit … was immer es auch war, es strahlte hell, gleißend hell. Und doch war es weniger das gleißende Licht denn eher die Fremdartigkeit, die an seinen Augen riss. Er wollte nach Charlie rufen, konnte aber nicht. Ihm war, als blicke er ins Herz eines Schwarzen Lochs; nichts stimmte hier mit dem überein, was er kannte oder begriff. Fast war es, als würde er in eine stark komprimierte Dimension der Wirklichkeit gezogen, eine Ecke des Universums, die keines Menschen Auge je hätte erblicken sollen.
    – Das ist auch so –,
    wisperte eine Stimme, die durchaus dem Quarx gehören, aber ebenso gut seiner Einbildung entsprungen sein konnte. Plötzlich verlor sich die Stimme in einem anschwellenden Geplapper, das von lauter chaotischen Stimmen erzeugt wurde; sie redeten in keiner ihm bekannten Sprache, sondern hallten in seinem Bewusstsein wider, drangen aus dem Inneren, aus dem Feuer, aus Gott weiß welcher Quelle innerhalb des quarxischen Wahns.
    Unvermittelt fühlte er sich fiebrig, als ihm ein Schwall des Wissens ins Bewusstsein strömte, getragen von der Flut der Stimmen. Es schwächte ihn, er war benommen und verwirrt; er wusste nicht, ob er all das Wissen in Erinnerung behalten oder begreifen könnte, und er konnte nur hoffen, dass das Quarx dazu imstande wäre. Charlie … war Charlie noch da?
    Bilder bauten sich in ihm auf, geformt von Wissen, das sich wie Atome um einen Kristallisationskeim sammelte, und bald schon würden sie sich abrupt zu

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