01 - Nicht ohne meine Tochter
Kontrolliertheit und Tatkraft, verbunden mit einer echten Fürsorge für Mahtab und mich. Wir standen uns in dem Sinne nahe, dass wir ein intensives Interesse an einem gemeinsamen Ziel hatten. Amahl - und nicht Moody - war der Mann in meinem Leben. Ich dachte ständig an ihn. Nach der Thanksgivings-Enttäuschung versicherte er mir, dass Mahtab und ich Weihnachten zu Hause sein würden. Ich musste ihm vertrauen oder den Verstand verlieren. Die Tage vergingen ohne sichtbare Fortschritte.
Eines Morgens, kurz nachdem Mahtab zur Schule gegangen und Moody in einem Taxi zur Arbeit ins Krankenhaus gefahren war, eilte ich die Straße zum »Super« entlang. Es war Milchtag, und ich wollte früh einkaufen, ehe der Vorrat erschöpft war. Aber als ich in die Hauptstraße einbog, blieb ich vor Schreck erstarrt stehen. Mehrere Pasdar-Fahrzeuge parkten direkt vor dem »Super«, dem Sabzi-Geschäft und dem Fleischer. Uniformierte Pasdaran standen auf dem Gehsteig herum und richteten ihre Gewehre auf den Laden. Während ich zuschaute, stellte sich ein großer Lastwagen neben die Pastar-Fahrzeuge. Ich drehte mich um und entfernte mich schnell, denn ich wollte jede Konfrontation vermeiden. Ich winkte ein Taxi heran und fuhr ein paar Straßen weiter zu einem anderen »Super«, um dort meine Einkäufe zu machen. Als ich in unsere Gegend zurückkam, konnte ich sehen, wie die Pasdaran Waren aus den drei Geschäften auf den großen Lastwagen luden. Ich eilte in die Sicherheit meiner eigenen vier Wände.
Sowie ich zu Hause war, fragte ich meine Nachbarin Maliheh, ob sie wüsste, was in den Geschäften vorgehe, aber sie zuckte nur die Achseln. Bald erschien der Müllmann, der immer alles wusste, was in der Nachbarschaft geschah, auf seiner Runde, und Maliheh fragte ihn. Er wusste nur, dass die Pasdar den Lagerbestand der drei Geschäfte beschlagnahmt hatte. Neugier und Sorge um die drei Ladenbesitzer trieb mich wieder aus dem Haus. Ich versicherte mich, dass ich schicklich verhüllt war, und beschloss, zum »Super« zu gehen, als wäre nichts geschehen. Aga Reza stand draußen auf dem Bürgersteig, als ich näherkam. Verzagt beobachtete er, wie die Pasdar seinen weltlichen Besitz stahl. »Ich möchte Milch kaufen.«, sagte ich zu ihm in Farsi. »Nistesch.«, erwiderte er. »Keine da.« Dann seufzte er achselzuckend mit der stoischen Ruhe desjenigen, der mit den Launen von staatlich unterstützten Dieben großgeworden ist: »Tarnum, alle.« Ich ging weiter zum Sabzi-Geschäft, wo ich mehrere Pasdaran vorfand, die eifrig damit beschäftigt waren, Gemüsebündel aufzuschlitzen und frisches Obst und Gemüse auf ihren Lastwagen zu laden. Nebenan schleppten sie Fleisch heraus.
Später am gleichen Tag berichtete ich Moody, als er von der Arbeit kam, dass unsere drei Freunde ihre Geschäfte verloren hatten, und er sagte: »Naja, sie müssen wohl Schwarzmarktgeschäfte gemacht haben, sonst wäre das nicht passiert.« Moody hatte eine seltsame Auffassung von Moral. Er war genauso wie alle anderen von den Leckereien begeistert, die man auf dem schwarzen Markt finden konnte, aber er verteidigte die Verpflichtung seiner Regierung, Schwarzhändler zu bestrafen. Er war überzeugt, die Pasdaran hätten das Recht, die Läden zu plündern. Das Ereignis betrübte Mahtab, der die drei Männer auch ans Herz gewachsen waren. An jenem und vielen folgenden Abenden betete sie: »Bitte, lieber Gott, lass etwas geschehen, dass diese Leute wieder ihren Laden aufmachen können. Sie sind so nett zu uns gewesen. Bitte, sei du auch nett zu ihnen.«
Das Gerücht ging um, dass die Regierung die Häuser für Büros brauchte, aber die Geschäfte blieben leer. Diese guten Iraner mussten ohne ersichtlichen Grund ihr Geschäft aufgeben. Das reichte natürlich als Rechtfertigung für alle Aktionen der Pasdar völlig aus. Die Wochen flogen nur so vorbei. Der tägliche Anruf bei Amahl und die Besuche in seinem Büro, die ich so häufig dazwischenschob, brachten immer das gleiche Ergebnis. Wir warteten immer noch auf die Klärung von Einzelheiten. Manchmal fragte ich mich, ob alles bloß Ta'arof war. »Wir werden Sie zu Silvester zu Hause haben, wenn es mit Weihnachten nicht klappt.«, versicherte Amahl mir. »Ich arbeite an allem, so schnell ich kann. Einer dieser Wege wird sich auftun. Haben Sie Geduld.« Ich hatte die Worte schon so oft gehört, zu oft, von meinem ersten Besuch bei Helen in der Botschaft an, und bei jedem Besuch bei Amahl. Es war ein Rat, den
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