01 - Nicht ohne meine Tochter
Wo ich atmen konnte.
Es war Mitte Januar, gegen vier Uhr nachmittags, als der Anruf kam. Ich saß im Wartezimmer in Moodys Praxis, von Patienten umgeben, als ich den Hörer abnahm und die Stimme meiner Schwester Carolyn aus Amerika hörte. Sie weinte. »Die Ärzte haben die Familie herbeigerufen.«, sagte sie. »Dad hat einen Darmverschluss, und sie haben sich entschlossen, zu operieren. Ohne Operation wird er nicht überleben, aber sie glauben auch nicht, dass er noch genügend Kraft hat, die Operation zu überstehen. Sie glauben, er wird heute sterben.« Das Zimmer verschwamm, als mir die Tränen aus den Augen strömten und meinen Rusari durchtränkten. Mir brach das Herz. Mein Vater lag Tausende von Kilometern entfernt im Sterben, und ich konnte nicht da sein, um seine Hand zu halten, ihm meine Liebe zu übermitteln, den Schmerz und die Trauer mit meiner Familie zu teilen. Ich fragte Carolyn nach Einzelheiten über den Zustand meines Vaters aus, aber in meinem Schmerz konnte ich die Antwort nicht verstehen. Plötzlich blickte ich auf und sah Moody neben mir, die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er hatte genug gehört, um sich den Rest zu denken. Leise sagte er: »Fahr nur. Fahr deinen Dad besuchen.« Moodys Worte trafen mich vollkommen unvorbereitet. Ich musste mich versichern, richtig gehört zu haben. Mit meiner Hand über der Sprechmuschel sagte ich zu ihm: »Vater geht es wirklich schlecht. Sie glauben nicht, dass er den Tag überstehen wird.« »Sag ihr, dass du kommst.«
Für den Bruchteil einer Sekunde war ich von Glückseligkeit überwältigt. Aber dann beschlich mich sofort der Argwohn. Woher dieser plötzliche Sinneswandel? Warum sollte Moody plötzlich, nach anderthalb Jahren, Mahtab und mir erlauben, nach Amerika zurückzukehren? Ich versuchte, Zeit zu gewinnen. »Wir müssen das besprechen.«, sagte ich. Dann wandte ich mich wieder dem Telefon zu. »Carolyn,«, sagte ich, ich brüllte, um die Entfernung zu überbrücken, »ich möchte mit Vater sprechen, vor seiner Operation.« Moody erhob keinen Einspruch. Er hörte zu, wie Carolyn und ich die Einzelheiten überlegten. Ich sollte ein Gespräch ins Carson City Hospital anmelden, für in genau drei Stunden. Sie würde alles so organisieren, dass Dad mit mir sprechen konnte, bevor er in den Operationssaal kam. »Sag ihr, dass du kommst!«, wiederholte Moody. Verwirrt ignorierte ich seinen Befehl. »Sag es ihr jetzt!«, sagte er. Irgendwas geht hier vor, dachte ich. Irgendetwas Furchtbares. »Jetzt!«, wiederholte Moody mit deutlich drohender Stimme.»Carolyn,«, sagte ich, »Moody sagt, ich kann nach Hause fahren.« Meine Schwester schrie vor Freude und Glück auf.
Nach dem Anruf wandte Moody sich sogleich wieder dem Wartezimmer voller Patienten zu, die seiner Aufmerksamkeit bedurften, und machte jede weitere Diskussion unmöglich. Ich flüchtete mich in die tröstliche Ruhe meines Schlafzimmers und weinte in Trauer um meinen Vater. In mir drehte sich alles in einer Mischung aus Verwirrung und Freude über Moodys Verkündung, dass wir in die USA fahren durften. Ich weiß nicht, wie lange ich weinte, bevor ich Chamsey im Zimmer bemerkte. »Ich habe zufällig angerufen, und Moody berichtete mir von den schlechten Nachrichten über deinen Vater.«, sagte sie. »Zaree und ich sind gekommen, um bei dir zu sein.« »Vielen Dank!«, sagte ich und trocknete meine Tränen. Ich stand vom Bett auf und warf mich in ihre Arme, neue Tränen strömten mir aus den Augen.
Chamsey führte mich die Treppe hinunter ins Wohnzimmer, Dort saß Zaree, um ihr zu helfen, mich zu trösten. Sie wollten alles über Dad hören und gedachten dabei des seltsamen, plötzlichen Todes ihres eigenen Vaters vor Jahren. »Ich habe heute Morgen ein langes Gespräch mit Moody geführt, noch ehe du den Anruf bekommen hast.«, sagte Zaree. »Ich habe mir deinetwegen über deinen Vater große Sorgen gemacht, und ich habe Moody bearbeitet, dass er dich hinfahren lassen sollte.« Ich horchte auf. Hatte Moody deshalb so plötzlich seine Meinung geändert? Zaree fasste das Gespräch zusammen. Moody hatte gesagt, er würde mich nicht nach Amerika reisen lassen, weil er befürchtete, dass ich nicht wiederkommen würde.
»Wie kannst du so etwas tun?«, hatte Zaree ihn gefragt »Du kannst sie nicht ihr ganzes Leben lang hier festhalten, bloß weil du meinst, dass sie nicht zurückkommt.« Zaree hatte ihn bad genannt, wenn er mich nicht zu meinem Vater ließe. Das war
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