01 - Nicht ohne meine Tochter
ab. »Sagen Sie ihnen, sie sollen jemand anders finden.«, sagte er, nicht bereit, unser kleines Fest zu verlassen.
Als Moody endlich aus seiner Praxis kam, verkündete er: »Das Krankenhaus hat angerufen. Ein Notfall. Ich muss hin.« Alle fragten sich, warum Moody das Fest mied. Genau wie Dr. Najafi hätte er einen Ersatz suchen lassen können. Binnen weniger Minuten traf mit blinkenden Lampen ein Krankenwagen vor unserer Tür ein. Das war die schnellste Methode, einen Arzt ins Krankenhaus zu befördern, und es unterstrich Moodys Behauptung, dass ein Notfall vorlag. Ohne ihn setzten wir uns an unser Silvestermahl. Wir aßen noch, als er gegen halb elf Uhr wiederkam. »Komm, iss mit uns.«, sagte ich. Doch das Telefon klingelte, und Moody eilte davon. »Es ist eine Patientin.«, verkündete Moody. »Sie hat schwere Rückenschmerzen und kommt sofort vorbei.« »Nein.«, protestierte ich. »Sag ihnen doch, sie sollen sie morgen früh bringen.« »Du solltest so spät keine Patienten mehr annehmen und dich an feste Stunden halten.« sagte Chamsey. »Nein.«, sagte er. »Ich muss sie heute Abend behandeln.« Er verschwand in seine Praxis. »Er verdirbt uns den Abend.«, murmelte Alice. »So ist es oft.«, sagte ich. »Ich gewöhne mich allmählich dran. Es macht mir nichts mehr aus.« Ich merkte, dass ich allen Leid tat, doch in Wahrheit genoss ich die Gesellschaft meiner Freunde viel mehr, wenn mein Mann nicht dabei war.
Das Essen war schön, aber die Gäste mussten früh zu Hause sein. Der Neujahrstag der westlichen Welt würde in Teheran unbemerkt vorübergehen, morgen würde ein normaler Geschäftstag sein. Nur fünf Minuten nach Mitternacht machten sich alle zum Gehen bereit, und da kam Moody endlich aus seiner Praxis. »Ihr wollt doch nicht schon gehen?«, sagte er, sein Bedauern offensichtlich vortäuschend. »Ich bin gerade mit der Arbeit fertig.« »Wir müssen morgen früh aufstehen.«, sagte Dr. Najafi.
Kaum waren sie aus der Tür, nahm Moody mich plötzlich in die Arme und küsste mich mit ausdauernder Leidenschaft. »Was soll denn das?«, fragte ich erschrocken. »Naja, frohes neues Jahr.« In der Tat ein frohes neues Jahr, dachte ich. Neunzehnhundertsechsundachtzig. Wieder ein Jahr vorbei, und ich bin immer noch hier. Wie lange noch?
Das Ende der Feiertage kam, und ich war verzweifelter denn je. Ich hatte sie benutzt, um mich abzulenken. Jeder Feiertag war ein Ziel gewesen. Ich würde ihn in Michigan verbringen, und nicht hier. Aber als Thanksgiving, dann Weihnachten, dann Neujahr kamen und gingen, versprach der Kalender nur noch einen langen trüben Winter. Die Zeit schlich träge dahin. »Haben Sie Geduld!«, sagte Amahl, wann immer ich mit ihm sprach. Schnee bedeckte die Stadt. Die Straßen verwandelten sich in eine braune Schlammwüste. Jeden Morgen wachte ich verzweifelter auf, und jeden Tag geschah etwas, das das umfassende Gefühl der Hoffnungslosigkeit noch zu vertiefen schien.
Eines Tages, als ich über einen belebten Platz in der Nähe unserer Wohnung ging, hielt mich eine weibliche Pasdaran an. Ich erinnerte mich an eine frühere Begegnung, als ich ein paar Worte Farsi zustande gebracht hatte, und die Pasdaran misstrauisch geworden waren, weil ich nicht der ganzen Unterhaltung folgen konnte. Mahtab war in der Schule; keiner konnte übersetzen. Diesmal beschloss ich, mich dumm zu stellen. »Ich verstehe nicht.«, sagte ich auf Englisch. Zu meiner Überraschung antwortete mir die Pasdaran auf Englisch, es war das erste Mal, dass mir das passierte. Sie sagte wütend: »Als Sie über die Straße gingen, sah ich einen kleinen Streifen von Ihrem Knie zwischen dem Mantel und den Strümpfen. Sie sollten bessere Strümpfe tragen.« »Meinen Sie, mir gefallen diese Strümpfe?«, erwiderte ich. »Sowas habe ich mein ganzes Leben noch nicht tragen müssen. Wenn ich die Wahl hätte, wäre ich in Amerika und würde Strumpfhosen tragen, und nicht diese Strümpfe, die nicht halten. Sagen Sie mir, bitte sagen Sie mir: Wo kann ich ein Paar Strümpfe kaufen, die nicht rutschen?« Die Pasdaran wurde nachdenklich und mitfühlend. »Ich weiß, Khanom, ich weiß.«, sagte sie freundlich. Und dann ging sie und ließ mich verwirrt zurück. Ich war tatsächlich auf eine verständnisvolle Pasdaran getroffen. Im gleichen Moment grub sich der Schmerz tiefer denn je in meine Seele ein. Wie ich mich danach sehnte, in eine Gesellschaft zurückzukehren, wo ich mich anziehen konnte, wie ich wollte.
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