01 - Nicht ohne meine Tochter
je zuvor. Jetzt war plötzlich Moodys Karriere in Gefahr, mein Vater lag im Sterben, und die Zukunft sah trostlos aus. Der Stress forderte seinen Tribut von uns beiden als einzelnen und auch als Paar.
In den nächsten Wochen pendelten wir zwischen Alpena Und Carson City hin und her. Moody half Dad durch das Trauma der Operation hindurch. Wenn er Moody nur sah, schien das schon seine Schmerzen zu lindern. Moody bot seinen Rat als Arzt an, und er konnte einem Laien die medizinische Terminologie verständlich erklären. Als Dads Gesundheitszustand sich so weit gebessert hatte dass er reisen konnte, lud Moody ihn ein, uns in Alpena zu besuchen. Er verbrachte Stunden damit, Dad zu trösten, ihm zu helfen, die Realität seiner Krankheit zu akzeptieren und zu lernen, mit seiner Kolostomie zu leben. Dad war tatsächlich Moodys einziger Patient. Immer wenn die beiden zusammen waren, fühlte sich Moody wieder als Arzt. Aber wenn er zu Hause in Alpena saß und tagaus, tagein nichts zu tun hatte, und immer mürrischer wurde, fühlte er sich als Versager. Und im Laufe der Wochen forderte der Müßiggang seinen Tribut.
»Es hat politische Gründe.«, sagte er immer wieder und meinte damit die Untersuchung im Krankenhaus. Moody versuchte, sich auf dem Laufenden zu halten, indem er an zahlreichen medizinischen Fortbildungsseminaren teilnahm, aber auch dabei fühlte er sich unausgefüllt, denn er konnte das Wissen, das er sich angeeignet hatte, nicht in die Praxis umsetzen. Wir machten uns beide ernstlich Sorgen um Geld, und ich glaubte, dass Moodys Stimmung sich bessern würde, wenn er wieder arbeiten könnte. Kein Krankenhaus würde ihm erlauben, als Anästhesist zu praktizieren, solange die Untersuchungen nicht abgeschlossen waren, aber er hatte immer noch die Lizenz, als Arzt für chiropraktische Allgemeinmedizin zu arbeiten. Ich hatte sowieso immer gedacht, dass er auf dem Gebiet mehr leisten konnte.
»Du solltest nach Detroit gehen.«, schlug ich vor. »Geh wieder in die Klinik an der Vierzehnten Straße. Die können immer Hilfe gebrauchen.« Dort hatte er während der Jahre seines Praktikums schwarz gearbeitet und hatte da immer noch Freunde. »Nein.«, antwortete er. »Ich bleibe hier und kämpfe.« Innerhalb von wenigen Tagen hatte er sich brütend in ein Schneckenhaus zurückgezogen und schnauzte mich und die Kinder bei der geringsten, oft nur eingebildeten Provokation an. Er hörte auf, medizinische Seminare zu besuchen, weil er nicht länger mit anderen Ärzten zusammen sein wollte. Er verbrachte seine Tage damit, in einem Sessel zu sitzen und mit leerem Blick aus dem Fenster hinaus auf den Fluss zu starren, während die Stunden in Schweigsamkeit verstrichen. Wenn er genug davon hatte, schlief er. Manchmal hörte er auch Radio oder las ein Buch, aber er hatte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Er weigerte sich, das Haus zu verlassen und wollte niemanden sehen. Als Arzt wusste er natürlich, dass sein Verhalten die klassischen Symptome einer klinischen Depression aufwies. Als die Frau eines Arztes wusste ich das auch, aber er wollte auf niemanden hören und wies alle Versuche, ihm zu helfen, zurück. Eine Zeit lang versuchte ich, ihm Trost und Mut zuzusprechen, weil eine Frau das meiner Ansicht nach tun sollte. Die Aufregung hatte natürlich auch bei mir deutliche Spuren hinterlassen.
An mehreren Tagen in der Woche fuhren die Kinder und ich nach Bannister, um meinen Vater zu besuchen, aber Moody begleitete uns nicht länger. Er blieb zu Hause und war schlechter Laune. Wochenlang fand ich mich mit dieser Situation ab und vermied jede Konfrontation, weil ich hoffte, dass er seine Lethargie abschütteln würde. Ich war sicher, dass dies nicht mehr lange so weitergehen konnte. Aber mit der Zeit wurden die Wochen zu Monaten. Ich verbrachte mehr Tage in Bannister bei meinem Vater und weniger Zeit zu Hause, wo mir Moody mit seiner Teilnahmslosigkeit nur immer mehr auf die Nerven fiel. Wir hatten kein Einkommen, und unsere Ersparnisse schrumpften. Nachdem ich eine Auseinandersetzung, so lange ich konnte, hinausgezögert hatte, explodierte ich endlich eines Tages. »Fahr nach Detroit und such dir eine Arbeit!«, sagte ich. Moody sah mich böse an. Er hasste es, wenn ich meine Stimme erhob, aber das war mir egal. Er zögerte und überlegte, wie er mit der Forderung seiner Frau umgehen sollte. »Nein.«, sagte er dann einfach und endgültig und ging aus dem Zimmer. Mein Wutausbruch stürzte ihn in eine
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