01 - Nicht ohne meine Tochter
will mitmachen.« »Wir haben alles durchdacht.«, versicherte mir Trish. »Aber wir wollen Sie nicht einweihen.« Eine Menge Fragen schossen mir durch den Kopf, und ich beschloss, nicht zu diesen merkwürdigen, nervösen Frauen in das Auto zu steigen, bevor ich nicht ein paar Antworten erhielt. »Gehen Sie nach Hause und arbeiten Sie an ihrem Plan.«, sagte ich. »Ich treffe mich wieder mit Ihnen, und wenn er ausgereift ist, komme ich mit.« »Tag und Nacht haben wir nichts anderes getan, als Sie zu suchen und daran zu arbeiten, Sie hier rauszuschaffen, und jetzt ist Ihre Chance da. Kommen Sie jetzt mit, oder Sie können es vergessen.« »Bitte! Geben Sie mir vierundzwanzig Stunden Zeit, arbeiten Sie an Ihrem Plan.« »Nein. Jetzt oder nie.« Ein paar Minuten lang stritten wir uns auf der Straße, aber ich war nicht im Stande, mich einem so übereilten Sturz in die Freiheit anzuvertrauen. Was würde passieren, wenn Mahtab und ich in der Wohnung versteckt waren und die Frauen keine Flucht organisieren konnten? Wie lange konnten eine Amerikanerin und ihre Tochter in diesem Land, das Amerikaner hasste, der Entdeckung entgehen? Schließlich sagte ich: »Okay. Leben Sie wohl!« Trish wandte sich ab und öffnete die Autotür, sie schäumte vor Wut. »Sie wollen ihn gar nicht verlassen.«, sagte sie. »Sie werden ihn niemals verlassen. Sie sagen das nur, damit die Leute glauben, dass Sie weg wollen. Wir glauben Ihnen nicht. Sie wollen in Wirklichkeit hierbleiben.« Das Auto sauste im regen Treiben des Teheraner Verkehrs davon.
Mahtab und ich waren allein, paradoxerweise isoliert, inmitten der vielen Iraner, die scharenweise zu Fuß unterwegs waren. Trishs gehässiger Redeschwall klang mir noch in den Ohren. Warum hatte ich die Chance zur Freiheit nicht beim Schopf gepackt? Betrog ich mich vielleicht selbst, wenn ich glaubte, dass ich jemals zusammen mit Mahtab flüchten könnte und würde? Das waren beängstigende Fragen. Mahtab und ich hätten im weißen Pakon in Windeseile mit unbekanntem Ziel in eine ungewisse und vielleicht gefährliche Zukunft aufbrechen können. Stattdessen eilten wir in das Pol-Pizza-Geschäft, damit ich Käse kaufen konnte, um meinem Mann einen besonderen Leckerbissen zu bereiten.
Wir trafen uns regelmäßig mit Aga und Khanom Hakim. Ich mochte den Turbanmann sehr gern, weil er zu seiner Religion ein gesundes Verhältnis hatte. Moody mochte ihn auch. Durch seine Verbindungen zu den alten Herren aus seiner Studienzeit versuchte er, Moody dabei zu helfen, eine Arbeit zu finden, entweder als praktizierender Arzt oder zumindest zum Unterrichten. Aga Hakim ermutigte Moody auch dazu, die Aufgabe zu übernehmen, zu Hause die Werke ihres gemeinsamen Großvaters ins Englische zu übertragen, die Aga Hakim seinerseits schon aus dem Arabischen ins Farsi übersetzt hatte. Moody kaufte eine Schreibmaschine, teilte mir mit, dass ich seine Sekretärin sein würde, und machte sich an die Arbeit, Vater und Kind zu übersetzen, das Tagatie Hakims Ansichten zu diesem Thema darlegte.
Bald war Mammals und Nasserines selten benutzter Esszimmertisch mit Manuskriptstapeln bedeckt. Moody saß an einem Ende des Tisches, kritzelte seine Übersetzung hin und überreichte mir die Blätter zum Tippen. Durch unsere gemeinsame Arbeit bekam ich einen besseren Zugang zu Moodys Ansichten. In den Augen Tagatie Hakims hatte allein der Vater die ganze Verantwortung, sein Kind so zu erziehen, dass es sich angemessen und respektvoll verhielt, in der »richtigen« Weise dachte und ein Leben nach den Grundsätzen des Islam führte. Die Mutter spielte in diesem Prozess überhaupt keine Rolle.
Wochenlang arbeiteten wir an dem bedeutenden Auftrag. Moodys Großvater schrieb in einem wortgewaltigen, überladenen, didaktischen Stil. Jeden Nachmittag, wenn ich Mahtab von der Schule nach Hause brachte, erwartete mich ein neuer Stapel Blätter, und Moody verlangte, dass ich mich sofort an die Arbeit machte, weil er das Projekt für ungeheuer wichtig hielt. Einmal machten mich Tagatie Hakims Worte sehr betroffen. Ausführlich behandelte er die Pflichten eines Kindes gegenüber seinem Vater, und in diesem Zusammenhang erzählte er eine Geschichte von einem sterbenden Vater, der seinen Sohn noch ein letztes Mal sehen wollte. Tränen rollten dabei über meine Wangen. Die Worte auf der Seite verschwammen vor meinen Augen. Mein eigener Vater lag im Sterben, und ich sollte eigentlich an seiner Seite sein. Moody sah meine Tränen. »Was
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