01 - Nicht ohne meine Tochter
Gebäude zu verlassen.«, sagte sie. »Und an diese Versprechen müssen wir uns halten.« »Aber«, fuhr sie fort, »wir haben ihm nicht versprochen, ihm mitzuteilen, wenn Sie zu spät zur Schule kommen. Wir werden ihm nicht sagen, wenn Sie sich einmal verspäten. Sagen Sie uns nicht, wohin Sie gehen, denn wenn er uns fragt, müssen wir es ihm sagen. Doch wenn wir nichts wissen, müssen wir ihm auch nichts sagen.« Von seiner Erkältung mitgenommen, mit jedem Tag träger, ließ Moody die Zügel immer mehr schleifen. Er war anscheinend so sicher, dass die iranischen Lehrerinnen mich aus Achtung vor seinen Wünschen überwachen würden, dass er nichts befürchtete.
Ich kam eines Tages zu spät in die Schule, um die Reaktion der Lehrerinnen zu testen. Nichts geschah; Khanom Schahien stand zu ihrem Wort. Ich nutzte die Zeit, um Helen in der Botschaft anzurufen, und sie warnte mich nochmals vor den beiden rätselhaften Frauen, die anscheinend darauf versessen waren, mir zu helfen. Sie sagte, sie müsse mich persönlich sehen, aber ich zögerte angesichts der langen, riskanten Fahrt. Ein unvorhergesehener Verkehrsstau konnte verhängnisvolle Folgen haben. Aber es wurde immer offensichtlicher, wie notwendig es war zu handeln. Zum Beispiel beunruhigte mich die Art, wie Mahtab und Maryam zusammen spielten. Die beiden kleinen Mädchen bauten gern ihre Puppen und ihr Geschirr auf, um Haus zu spielen. Sie hatten Spaß daran, die Tätigkeiten von Hausfrauen nachzuahmen. Plötzlich sagte Maryam dann in Farsi: »Da kommt ein Mann!«, und beide Mädchen hüllten sich eilig in ihren Tschador. Deshalb wagte ich eines Morgens den Sprung ins kalte Wasser. Mahtab und ich machten uns Richtung Schariati-Straße auf den Schulweg, wo wir normalerweise ein oranges Taxi heranwinkten. Ich sah mich ein paar Mal um, um sicher zu sein, dass weder Moody noch sonst jemand uns beobachtete. »Mahtab,«, sagte ich, »wir fahren heute morgen in die Botschaft. Das darfst du Vati nicht sagen.« »Tschasch.«, erwiderte Mahtab. Sie benutzte unbewusst das Farsi-Wort für ja und machte mir damit die Dringlichkeit meines Handelns deutlich. Mahtab wollte mehr denn je aus dem Iran heraus, aber sie übernahm Tag für Tag kleine Stückchen iranischer Kultur. Allmählich, das war mir klar, würde Mahtab sich anpassen, selbst gegen ihren Willen.
Wir fanden ein Büro für ein Telefon-Taxi, und ich erklärte dem Fahrer den Weg zur Vertretung der USA in der Schweizer Botschaft. Mahtab half bei der Übersetzung. Nach einer quälend langen Fahrt quer durch die ganze Stadt, gefolgt vom mühseligen Prozess der Personalienkontrolle und der Durchsuchung, waren wir schließlich in Helens Büro. Schnell verschlang ich die Briefe von Joe und John und Mutter und Vater. Johns Brief ergriff mich besonders. »Bitte, pass auf Mahtab auf und lass sie nicht von Deiner Seite!«, schrieb er.
»Die Sache kommt in Gang.«, sagte Helen. »Jedenfalls schrittchenweise. Das Außenministerium weiß, wo Sie sind, und tut sein Möglichstes.« Was nicht allzu viel ist, dachte ich. »Eine Amerikanerin hat außerdem die Botschaft in Frankfurt über Ihren Fall informiert.«, fuhr Helen fort. Judy! »Sie tun, was sie können.« Warum sitzen Mahtab und ich dann immer noch hier fest?, hätte ich am liebsten geschrien. »Eine Sache, die wir tun können, ist, für Sie neue amerikanische Pässe besorgen«, sagte Helen. »Sie werden von der amerikanischen Botschaft in der Schweiz ausgestellt. Sie werden natürlich nicht die richtigen Visa enthalten, aber vielleicht sind sie eines Tages trotzdem von Nutzen. Wir werden sie hier für Sie aufbewahren.« Eine halbe Stunde lang füllten wir die notwendigen Formulare für unsere neuen Pässe aus.
»Jetzt muss ich mit Ihnen über die beiden Frauen sprechen, die hier waren, um nach Ihnen zu fragen.«, sagte Helen. »Sie haben mit Ihrer Familie in Amerika gesprochen. Aber seien Sie bitte vorsichtig. Sie haben keine Ahnung, wovon sie reden. Tun Sie nicht, was sie von Ihnen verlangen, oder Sie werden eine Menge Ärger am Hals haben.« Beide waren Amerikanerinnen mit iranischen Ehemännern. Trish war mit einem Piloten verheiratet. Die andere, Suzanne, war die Frau eines hohen Regierungsbeamten. Beide standen im Genuss der uneingeschränkten Freiheit, im Land umherzureisen und den Iran zu verlassen, wann immer sie wollten, aber sie konnten sich in meine missliche Lage hineinversetzen und wollten helfen. »Wie kann ich mit ihnen Kontakt
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