01 - Nicht ohne meine Tochter
meiner beengten Sicht im vollen Auto sah ich im Laufe der Stunden, wie die Berge höher und noch zerklüfteter wurden. Ich versank in ein melancholisches Selbstgespräch.
Vielleicht würde sich während der folgenden Woche ein glücklicher Zufall ereignen, der mir und Mahtab die Möglichkeit eröffnete, zu flüchten. Wir könnten uns als blinde Passagiere in einem Schiff verstecken und über das Kaspische Meer fahren nach ... Russland. Ist mir egal!, beharrte ich stur. Ich will nur hier raus. Meine Überlegungen liefen auf eine furchterregende Schlussfolgerung hinaus. Ich erkannte, dass ich mit jedem Tag pessimistischer wurde, bitterer, panischer. Moody war ebenfalls gereizt, und ich fragte mich, ob er unbewusst auf meinen sinkenden Mut reagierte. Ein kalter Schauer durchrieselte mich. Der Druck staute sich an, bei mir wie bei Moody, und drohte, meinen sorgfältigen Plan, ihn in Sicherheit zu wiegen, platzen zu lassen. Wenn nicht bald etwas Gutes geschah, dann würde, so fürchtete ich, etwas Schreckliches passieren.
Bei unserer Ankunft in der Schah-Villa fanden wir sie, wie vorherzusehen gewesen war, ausgeplündert vor. Alles, was an westliche Kultur erinnerte, war weg, insbesondere die Möbel. Das Haus musste irgendwann einmal imposant gewesen sein, aber jetzt war es nur noch eine leere Hülle, und nachdem wir zu Abend gegessen hatten, legten wir uns, alle sechsundzwanzig, einfach Seite an Seite im selben Zimmer auf den Fußboden und versuchten, zu schlafen. Da Männer mit im Raum waren - wirklich, neben mir schlief Aga Hakim -, musste ich die ganze Nacht die Uniform anbehalten und versuchen, eingehüllt in meinen Manto und mit dem ordentlich um den Kopf gewickelten Rusari eine bequeme Lage zu finden. In der Vorfrühlingsnacht wehte durch die offenen Fenster eine eisige Brise vom Meer her. Mahtab und ich zitterten und wälzten uns die ganze Nacht herum, während unsere iranischen Verwandten wie die Babies schliefen.
Morgens entdeckten wir, dass die Gegend unter einer Dürre litt. Als Sparmaßnahme wurde die öffentliche Wasserversorgung den größten Teil des Tages eingestellt, mit dem Ergebnis, dass ich den ersten Morgen meines »Urlaubs« im Hof mit den anderen Frauen verbrachte und Sabzi, Salat, in einem einzigen Eimer mit eisigem Wasser wusch, während die Männer im Haus herumlagen, ausschliefen oder sich im Garten herumlümmelten und uns bei der Arbeit zusahen. Später gingen die Männer reiten; Frauen durften nicht teilnehmen. Wir machten einen Spaziergang am ehemals schönen Ufer entlang, das nun mit Müll und Unrat übersät war. Die Woche schleppte sich dahin, eine Unannehmlichkeit und Beleidigung türmte sich auf die andere. Mahtab und ich hielten durch, wir wussten ja, dass es nicht anders ging. Mittlerweile waren wir daran gewöhnt.
Der Frühlingsanfang brachte Optimismus und Depression zugleich. Bald würde der Schnee in diesen Bergen schmelzen. Konnte Raschlds Freund uns nun in die Türkei schmuggeln? Das mildere Wetter bot Handlungsspielräume. Und dennoch unterstrich der Wechsel der Jahreszeiten die Dauer meiner Gefangenschaft. Mahtab und ich saßen schon über sieben Monate im Iran fest. Nach unserer Rückkehr nach Teheran erfuhr Moody, dass es mit der Stelle im Krankenhaus geklappt hatte. Er war hingerissen vor Freude, sprang den ganzen Tag durch das Haus und überschüttete Mahtab und mich mit seinem sonst so seltenem Lächeln, machte Witze und kehrte die Funken Freundlichkeit und Liebe hervor, die einst - vor langer Zeit - so anziehend auf mich gewirkt hatten. »Meine Papiere sind noch nicht ganz in Ordnung.«, vertraute Moody mir an. »Aber das Krankenhaus will darüber hinwegsehen und mich trotzdem arbeiten lassen. Sie brauchen einen Anästhesisten. Wenn die Papiere dann in Ordnung sind, bezahlen sie mich für alle geleisteten Stunden.«
Im Laufe des Tages wurde seine Begeisterung schwächer. Er wurde nachdenklich, und ich konnte seine Gedanken lesen. Wie sollte er arbeiten und mich gleichzeitig bewachen? Ich ließ ihn in Ruhe, denn ich wollte ihm keinen Anlass geben zu denken, dass ich einen Grund hatte, auf mehr Mobilität hinzuarbeiten. Er würde sich schon etwas einfallen lassen. Seine Arbeitszeiten im Krankenhaus waren nicht genau festgelegt. Er würde nicht jeden Tag aus dem Haus müssen, und wenn doch, hatte er mich unter Kontrolle. Nasserine konnte und würde ihm über die Zeiten meines Kommens und Gehens berichten. Ich musste fast unmittelbar von Mahtabs Schule
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