01 - Schatten der Könige
Leichen an.
Aber jemand, der schon tot ist, war nur schwer zu verletzen. Trotz der Schwerthiebe und Speerstöße kämpften sie immer weiter und drängten Tauric und das Mädchen von dem Eingang der Gasse weg in Richtung des Platzes. Sie waren jetzt vollkommen vom Kampfgetümmel umgeben, und Tauric fürchtete den Klang von Hufgetrappel. Ihm taten alle Knochen weh, und er schien am ganzen Körper mit Wunden, Schnitten und Prellungen übersät zu sein. Ihre Gegner sahen noch schlimmer aus. Sie hatten klaffende Schwert- und Speerwunden, ihnen fehlten Finger, und sie erlitten noch weit schrecklichere Verstümmelungen, die Tauric und seine Gefährtin ihnen bei dem Versuch, sich zu verteidigen, zufügten.
Schließlich brach der Speer des Mädchens. Sie trat zurück, glitt aus und stürzte. Sofort sprang einer der Toten auf die junge Frau zu. Tauric reagierte instinktiv und trennte mit einem mächtigen Hieb der Leiche den Kopf vom Rumpf, die daraufhin ohne zu bluten zu Boden sackte. Tauric packte das Mädchen an der Hand, zog es zu einem Gebäude und suchte den Eingang. Die beiden anderen wandelnden Leichen folgten ihnen einige Schritte und blieben dann plötzlich stehen. Eine Sekunde malte sich etwas wie Verwirrung auf ihren zerstörten Gesichtern aus, bis sie ein markerschütterndes Heulen ausstießen und in den Staub fielen.
Hinter ihnen tauchten drei Krieger der Mogaun aus dem Dunkel auf. Sie waren kleiner und älter als diejenigen, welche Tauric gesehen hatte, und trugen an Stricken gebundene Knochen und Federn über formlosen Pelzgewändern. Lange, graue Zöpfe umrahmten verwitterte Gesichter, die vor Hass glühten, und ihre Blicke waren starr auf Tauric gerichtet.
»Die Schamanen der Mogaun«, stieß das Mädchen hervor, während Tauric ihm auf die Füße half. »O nein, das dürfen sie nicht…«
Die Schamanen hoben ihre ledrigen Hände in Brusthöhe und krümmten die knochigen Finger mit den langen Nägeln, als würden sie etwas Unsichtbares ergreifen. Sie bewegten die Lippen und stießen unisono einen Strom von gutturalen Lauten aus. Tauric fühlte, wie sich seine Nackenhaare sträubten und seine Kopfhaut prickelte, als er wie von Sinnen an eine Tür hämmerte. Vergeblich. Dann stampften die Schamanen auf den Boden und streckten ihre Hände in Taurics Richtung. Eine geisterhafte Macht umhüllte ihn, ihm schwand alle Kraft aus den Gliedmaßen, und er sank auf die Knie, während sein Verstand geschüttelt wurde, als zerrten Klauen an seinen Gedanken. Das Entsetzen überstieg jede Vorstellung. In gewisser Weise war es selbst schlimmer als die Qualen, die Byrnak ihm zugefügt hatte. Er wollte schreien, seinen Schmerz hinausbrüllen, aber hilflos und am Rande einer Ohnmacht schien er unter einer Strömung, einem Ozean aus Blei und Stein begraben zu werden …
Plötzlich durchdrang ein Licht den grauen Schleier, die Qualen schwanden, und er fühlte, wie ihm jemand auf die Füße half. Eine Hand stützte seinen Arm, seinen metallenen Arm. Das Mädchen. Ein Strahlen umgab sie, und er hörte sie schluchzen, als sie seinen künstlichen Arm hob und ihn auf die drei erschreckten Schamanen richtete.
Unter leisem Weinen murmelte sie eine Reihe merkwürdiger Worte, die in seinem Verstand wie der Klang einer Glocke zu schwingen schienen. Eben noch starrte er auf die Mogaun und zwinkerte, um den Schweiß aus seinen Augen zu vertreiben, und im nächsten Moment zuckte ein gleißendes, weißes Feuer aus seiner Hand auf die Schamanen zu.
Sie fingen Feuer, wanden sich und kreischten, während sie versuchten, sich aus ihren Pelzen zu befreien, doch die Flammen bedeckten ihre ganzen Körper und verzehrten sie.
»Es tut mir Leid, es tut mir so Leid«, stammelte das Mädchen. »Ich wollte das nicht, und ich…« Sie hielt inne und zog ihn dichter an sich. »Es tut mir Leid, aber ich musste das tun …« Tauric wollte sich zu ihr umdrehen, aber sie flüsterte erneut Worte, die wie kleine silberne Vögel durch seinen Kopf schwirrten, deren Schwingen gegen seine Schädeldecke schlugen und sie wie eine gläserne Schale zum Tönen brachten. Tauric starrte der jungen Frau in ihre rotgeränderten, tränennassen Augen, als ein blendendes Licht durch seinen Kopf zuckte und sie aus seinem Blickfeld verschwand.
Statt dessen sah er ein Dutzend Mogaun-Reiter, die über den Platz auf ihn zugaloppierten. Die Federn an ihren Speerspitzen flatterten, als sie ihre Waffen senkten und auf ihn zielten. Die Nacht war taghell erleuchtet, und die Reiter
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