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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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schien ihm nicht zugehört zu haben, denn er stand nur da und blickte aus dem Fenster. »Konnte sich Tauric Tor-Galantai noch an andere Geschehnisse auf dem Platz des Kaisers erinnern?« »Nein. Seine Erinnerungen an die Zeit, nachdem ihn das Mädchen als eine Art Gefäß für ihre Macht benutzt hat, sind sehr spärlich.« Mazaret betrachtete den anderen Mann nachdenklich. »Dafür hat er mir hinterbracht, wie Ihr ihm geholfen und ihn beschützt habt, seit er Krusivel verließ. Warum tut Ihr das alles für einen Thronerben ohne jedes magische Talent, wo doch die Jäger Kinder ein Mädchen verstecken, das solche Fähigkeiten im Überfluss besitzt?« Kodels Augen blitzten mit einem Anflug von Ärger. »Aus dem einfachen Grund, weil ich nichts davon wusste. Wenn Volyn bei seinen Vorgesetzten von ihr sprach, blieb er recht allgemein und hat niemals ihre Kräfte erwähnt. Ich neige sogar zu der Auffassung, dass er es selbst nicht wusste. Wir haben häufig auch privat gesprochen, und obwohl er mir viel von Alael und ihrer Vergangenheit erzählte, hat er niemals auch nur angedeutet, dass sie über die Niedere Macht verfügt.«
    »Bisher hat man sie nirgendwo finden können?«
    »Nein. Es gibt weder Zeugen noch Gerüchte. Ich habe unsere Zufluchtsstätten auf der anderen Seite des Kanals alle durchsuchen lassen. Vergeblich.«
    Mazaret hörte genau zu. Trotz der Ernsthaftigkeit in der Stimme des Mannes löste etwas in den Worten Zweifel in ihm aus. »Wie außerordentlich passend, dass Ihr nach zwei verschwundenen Personen suchen müsst. Ihr haltet es nicht für möglich, dass jemand von Euren eigenen Leuten sie versteckt?«
    Kodel sah ihn wütend an. »Euer Verdacht ist äußerst scharfsinnig, Mylord, aber ich lasse mich von Eurem Hohn nicht provozieren. Ihr sollt wissen, dass die Loyalität und der Gehorsam aller Jäger Kinder außer Frage steht. Falls Ihr uns Vorwürfe machen wollt, sprecht frei heraus. Bevor Ihr das tut, jedoch, ruft Euch bitte ins Gedächtnis, wo Ihr selbst wart, als der verehrte Hauptmann in den Kanal fiel.«
    Diese kaum verhüllte Anschuldigung traf Mazaret, und er sprang auf, um zu antworten, als draußen lautes Jubelgeschrei aufbrandete. Die beiden Männer traten ans Fenster und starrten auf die tausende von Städtern, die sich im Hof des Großen Burgfrieds drängten, und versuchten herauszufinden, wer wohl auf dem breiten Balkon über ihnen stand.
    Es war Geraine. Der schlanke Mann hob die Hände und gebot Ruhe, und das Geschrei erstarb sofort. »Meine Freunde! Seit anderthalb Dekaden leiden wir unter der Knute dieser barbarischen Invasion. Wie viele von uns haben in diesen langen Jahren der Dunkelheit unsere Lieben verloren? Wer wurde nicht von Gram und Verlust getroffen? Wer unter uns war nicht verzweifelt, als der tapfere Gunderlek in Yularia fiel, und von dem schmerzhaften Wunsch erfüllt, zurückschlagen, irgendwie die Waage der Gerechtigkeit auszugleichen?« Er senkte die Stimme. »Wir haben lange auf etwas gewartet, auf einen Hoffnungsschimmer, auf ein Zeichen, irgendeinen noch so kleinen Sieg. Und in einer einzigen Nacht ist es wahrgeworden! Denn das, was wir für immer verloren glaubten, ist zurückgekehrt! Die Blutlinie, welche die Mogaun und ihre tödlichen Verbündeten in Arenga auszulöschen suchten, ist wieder zum Leben erwacht!« Die Menge murmelte erregt, und Geraine lächelte. »Ich habe nicht mehr zu sagen. Lasst ihn für sich selbst sprechen!«
    Daraufhin trat er zu einem breiten, von einem Vorhang verdeckten Durchgang im Hintergrund des Balkons. Fanfaren schmetterten dreimal aus den oberen Fenstern, und zwei Diener traten zwischen dem Vorhang hervor. Jeder trug eine große Fahne, die einen weißen Baum auf einem dunkelblauen Hintergrund zeigte. Mazaret erkannte das Symbol voller Freude und hörte, wie erstaunte Rufe durch die Menge liefen. Einige reagierten ungläubig, andere jedoch mit höchster Erwartung. Es war das Symbol der khatrimantinischen Kaiser, dessen offene Zurschaustellung in den letzten sechzehn Jahren bei Todesstrafe verboten war. Dann schmetterten die Fanfaren erneut, die Vorhänge wurden zurückgezogen, und Tauric trat vor. Er sah Geraine an, der sich verneigte. Ein donnernder Schrei stieg aus der Menschenmenge auf, Hüte wurden in die Luft geschleudert, und die Leute jubelten und sangen und umarmten sich, als Tauric an das Geländer des Balkons trat. Er trug eine einfache Tunika und eine Hose in Himmelblau, der Farbe der Priester des Vater Baumes. Die kurzen

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