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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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wie dieser dunkle Geist, diese fürchterliche Gottheit, irgendwo lauerte, während seine Diener und Handlanger Chaos und Bosheit über den Kontinent von Toluveraz brachten. Sie schüttelte sich, als ihr Orgraaleshenoths Worte an Suviel einfielen. »Ich hatte erwogen, dich für meine Pläne zu benutzen. Doch jetzt erkenne ich, dass diese hier genügt.«
    Wenn jedoch die Dämonenbrut Diener des Herrschers des Zwielichts waren, warum versuchte Orgraaleshenoth dann, heimlich in die Zitadelle der Akolythen zu gelangen, deren Loyalität doch demselben Gebieter galt?
    Sie presste die Hände zusammen und versuchte, sie ein bisschen zu wärmen, als sie bemerkte, wie der Prinz der Dämonenbrut sich aufrichtete. Seine Haltung war wachsam, und seine Miene wirkte angespannt und konzentriert.
    »Was ist…?«, begann sie.
    Er schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab, und einige Augenblick lang hörte sie nur ihren eigenen Herzschlag. Dann fühlte Keren, wie sich die tödliche Stille vertiefte, und ihre Sinne langsam umhüllte. Die Umgebung verblasste zu undeutlichen Umrissen, und sie hatte das Gefühl, als stände sie auf dem abgrundtiefen Boden eines gewaltigen Ozeans. Sie konnte noch immer das unsichtbare Band spüren, das ihren Hals mit Orgraaleshenoth verband, dessen schattige Gestalt ihr den Rücken zuwandte, während er auf etwas starrte, das in der Finsternis lauerte.
    Dann sah auch Keren sie. Es waren Geister, Dutzende von menschlichen Gespenstern, Frauen, Männer, Kinder, die zusammensaßen, plauderten, aßen, stritten, spielten, spazierten, liefen, lachten und weinten. Sah sie die Geister der Toten, die vor Jahren in diesen Katen gelebt hatten, und die ihrer Freunde und Verwandten? Sie gingen in geschäftigem, stofflosem Treiben umher, ohne Keren zu bemerken. Wie der junge Mann in der Tunika, der mit einem nachdenklichen Lächeln auf dem Gesicht direkt durch sie hindurch zu blicken schien …
    Ein Lichtblitz löschte alles aus, und im Mittelpunkt dieser Helligkeit sah sie eine Szene, bei der sie unwillkürlich die Luft anhielt. Es war Tauric, dessen rechter Arm aus Metall zu bestehen schien, aus dem eine glühende, weiße Flamme zuckte, die gegen unsichtbare Widersacher gerichtet war. Es dauerte nur eine Sekunde, doch sie sah die unverhohlene Verwirrung in seinem Blick und fürchtete um ihn. Im nächsten Moment war auch das verschwunden, als wäre eine Tür ins Schloss gefallen, und sie fand sich in der kalten, dämmrigen Kate wieder.
    Orgraaleshenoth lachte. Es war ein leises, dunkles, boshaftes Lachen. »Wie wunderbar vergeblich! Orosiadas wahrer Nachkomme ist gezwungen, ihre Macht zu benutzen, und lässt es so aussehen, als sei es die des Thronanwärters …«
    »Ich verstehe nicht«, sagte Keren. »Taurics Hand stand in Flammen …«
    »Du hast es gesehen?« Die Dämonenbrut betrachtete sie nachdenklich. »Interessant, wenn auch nicht gänzlich unerwartet. Seelengebundene schnappen häufig Bruchstücke der Erfahrungen ihres Herrn auf. Du hast den Jungen gesehen, aber nicht mehr?«
    Keren nickte, und der Prinz sah sie unter gesenkten Wimpern zufrieden an. »Die Zeit wird kommen, wenn du mehr sehen wirst. Viel mehr.« Er legte sein glühendes Schwert auf einen Klapptisch und setzte sich auf die Bank daneben. »Jetzt solltest du ruhen und wieder zu Kräften kommen, denn wir brechen im Morgengrauen auf. Entferne dich jedoch nicht zu weit.«
    Sie ging zu einem Schuppen an der Rückseite des Hauses, wickelte sich in Decken, die sie darin fand, und richtete sich auf die Nacht ein. Aber die Verzweiflung drohte sie zu ersticken wie ein schwarzer Nebel, der durch ihren Verstand trieb, und es fiel ihr schwer, zu schlafen. Der Schlummer kam und ging in Wellen, die Traumbilder der geisterhaften Gestalten aus der Kate mit sich brachten.
    Keren erwachte von dem mittlerweile vertrauten Druck um ihren Hals. Sie schlug die Augen auf und sah das blasse Licht des Morgengrauens in den Schuppen dringen. Das Dorf der Toten wirkte im Licht des Tages trist, und seine wenigen Gebäude waren von dichtem Unterholz umgeben. Sie drehte sich um und sah die Höhen des Oshang Dakhal. Es erstaunte sie, wie nah sie dem Gipfelzug in der vorigen Nacht gekommen waren. Sie schüttelte den Kopf, gähnte, streckte sich und stöhnte, als die Muskeln in ihrem Rücken schmerzhaft protestierten. Gerade wollte sie einige Dehnübungen ausführen, als Orgraaleshenoth aus dem Haus trat und ihr winkte, ihm zu folgen. Sie seufzte, holte ihren Rucksack aus dem

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