01 - Schatten der Könige
und hockte davor, während er den Schädel betrachtete.
»Das letzte, was ich von dem Gefecht miterlebt habe, war, wie Yarram mit einigen seiner Männer ein paar Mogaun-Reiter verfolgte, die zu entkommen suchten. Terzis half zwei von Yarrams Hauptleuten, einen gefangenen Mogaun-Häuptling vor der Lynchjustiz des Pöbels zu bewahren.« Mit der Spitze seines Schwertes kratzte er über die schwarzen, abblätternden Symbole auf dem Boden. Dann deutete er damit auf den blutigen Schädel. »Irgendetwas fehlt hier.«
»Erkläre dich.« Bardow war plötzlich beunruhigt.
Guldamar schüttelte den Kopf. »Irgendeine Essenz ist noch im Raum, und der Kopf ist ein Teil davon. Glaube ich.«
»Dann werden wir ihn zerhacken und ihn an die Grünschwingen verfütterten«, knurrte Dow Korren und zog einen Dolch aus seinem Gürtel.
»Nein, warte.« Bardow richtete sich mühsam auf. Er schwankte, doch Korren stützte ihn mit einem Arm. »Es gibt nur einen Weg, alles, was sich noch hier in diesem Raum befindet, auszumerzen. Feuer.«
»Wir verbrennen die Leiche?«, fragte Korren.
»Wir verbrennen diesen Raum«, erwiderte Bardow. »Das ganze Haus.«
»Wir müssen erst alle hinausbringen«, wandte Korren ein.
Guldamar stand auf und schob sein Schwert in die Scheide. »Dann sollten wir keine Zeit verlieren.« Bardow nickte und schaute sich in dem Zimmer um. Als sein Blick aus dem geöffneten Fenster fiel, hielt er verwundert inne.
Das Fenster ging nach Süden hinaus, und von dieser Höhe bot es einen Ausblick über die Dächer der Stadt bis zum Burgfried und den Befestigungen auf der nahe gelegenen Klippe. Dort oben wurde noch gekämpft. Knäuel von Männern rangen miteinander und griffen sich gegenseitig an. Der Hauptkampf schien auf einer breiten Steinbrücke stattzufinden, welche die Bastionen mit der Feste verband. Zahlreiche Krieger beider Parteien waren dort in ein blutiges Gefecht verwickelt, und in ihrer Mitte flatterte ein Banner, eine große blaue Fahne mit dem Symbol des Vater Baumes. Bardow wusste sofort, dass Tauric sich in der Nähe des Banners aufhielt, und wurde von widerstreitenden Gefühlen gepackt, von einer tiefen Freude und gleichzeitig der Sorge um die Sicherheit des Jungen.
»Unsere Kameraden brauchen unsere Hilfe«, drängte Guldamar. »Kommt, wir reinigen diesen Ort des Todes und übergeben ihn den Flammen.«
»Ich würde Euch gern helfen«, sagte Dow Korren. »Aber meine Leute wurden im unteren Turm eingekerkert. Ich muss herausfinden, wo genau sie sind, und wer noch am Leben ist.« Bardow stützte sich noch mit einer Hand auf Korrens Schulter, als er sich vom Fenster abwendete. »Wir werden Euch bei Eurer Suche helfen, dafür sorge ich.« Er verzog das Gesicht, als ihm der beißende Gestank in dem Zimmer in die Nase stieg. »Doch jetzt lasst uns hier verschwinden.« Tauric hatte das Gefühl, in einem Meer aus Leibern festzusitzen. Um ihn herum hatte sich eine enge Phalanx von Kriegern gebildet, die sich selbst die »Weißen Gefährten« nannten, ein Dutzendjunger Kämpfer, die Kodel aus den hunderten von Freiwilligen ausgewählt hatte, die sich vor ihrer Abreise aus Oumetra gemeldet hatten. Links neben Tauric kämpfte Aygil, dessen Muskeln deutlich hervortraten, als er angestrengt das schwere Banner hochhielt, während rechts neben ihm, wachsam wie immer, Kodels namenloser Stellvertreter, der Waffenmeister, focht.
Es war enttäuschend. Von dem Moment an, an dem er und seine Gefährten die Sturmleitern zu den Befestigungen auf der Klippe erklommen hatten, wurde er von ihnen dicht umringt und bekam nicht einmal die kleinste Möglichkeit, auch nur sein Schwert zu ziehen, geschweige denn, es einzusetzen. Jetzt stürmten die Jäger Kinder , die ihrerseits in großer Zahl die Weißen Gefährten umringten, über die Brücke vor und trieben die Söldner immer weiter zum Burgfried zurück. Tauric sah, wie Männer für ihn kämpften und starben, und er empfand eine ohnmächtige Wut, als er mit ansehen musste, wie ein Jäger Kind einen ihm, Tauric, zugedachten Speer abfing, der den Kämpfer über die niedrige Brüstung der Brücke stürzen ließ.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter, und die Stimme des Waffenmeisters übertönte den Kampflärm.
»Du bist bereits gefährdet genug!«, rief der Mann. »Und erreichst auch so eine Menge. Sieh, wie sie für dich kämpfen!«
Tauric nickte, konnte jedoch seine Niedergeschlagenheit nicht abschütteln. Er erinnerte sich an die Worte, die Kodel erst vor wenigen Tagen in
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