01 - Schatten der Könige
vieles von dem, was hier vorgefallen ist, übersehen. Schließt Euch uns an, Crolas, und kämpft mit uns in dieser Schlacht.«
Crolas betrachtete ihn gelassen. »Ihr sprecht wohlgesetzt, für einen Frischling…«
»Danke, Mylord. Ich erwarte, dass sich meine Rhetorik bis zum Tag meiner Krönung noch verbessert.«
Der Mann grinste. »Ich fürchte, Ihr versteht nicht, was gegen Euch steht, allein die Zahl und schreckliche Macht dessen, den Ihr Euch zum Feind erwählt habt. Nein, braver Herr Tauric, ich werde mich Euch nicht unterwerfen, denn das Meer schließt keinen Pakt mit einem sinkenden Schiff.« Er drehte sich zu seinen Männern herum. »Ergreift sie!«
Noch während er die Worte aussprach, stürzte Tauric bereits mit den anderen im Gefolge zur Treppe. Crolas und seine Wache folgten ihnen, und als es auf den untersten Stufen zum Schwertkampf kam, hörte Tauric den Söldnerführer seinen Namen rufen. Er verlangsamte seine Schritte und schaute hinunter auf Crolas, der zur Spitze der Treppe deutete.
Bewaffnete Söldner strömten vom Dach hinunter und hasteten Tauric und seinen zahlenmäßig unterlegenen Gefährten entgegen. Furcht und Verzweiflung drohten seinen Verstand zu überwältigen. Wir sitzen in der Falle, dachte er. Meinetwegen …
Als die Söldner sich näherten, rief Aygil: »Wir sind hier, um für Euch zu sterben, Herr! Stellen wir uns ihnen!«
»Kämpfe lieber und lebe, Aygil!«, erwiderte Tauric, als der Bannerträger mit fünf anderen Männern an ihm vorbeistürmte, und sie sich Schulter an Schulter vor ihm aufbauten. Tauric sah wütend und hilflos zu, wie die erste Reihe der Söldner angriff. Dann sah er eine Bewegung aus den Augenwinkeln, schnappte nach Luft und sprang zurück, als einer der großen Lampenständer genau auf der Stelle landete, wo er eben noch gestanden hatte. Die tropfenförmigen Laternen schwankten heftig an ihren Ketten, eine löste sich und stürzte mit einem tiefen, klingenden Laut zu Boden, und ihr brennendes Öl ergoss sich über die Teppiche.
Die Spitze des Lampenständers krachte mit einem lauten Knall auf die Treppe, federte einmal und lag dann still. Tauric schaute über den Rand der Treppe und sah voller Entsetzen, wie Crolas elegant in perfektem Gleichgewicht die improvisierte Leiter hinauflief.
Noch während Tauric sein Schwert mit seiner metallenen Hand zog, überwand der Statthalter den letzten Schritt mit einem Satz und schlug es ihm aus der Hand. Der Söldnerführer zögerte nicht, sondern handelte schnell und brutal wirkungsvoll. Aber als er die Spinnenkralle in einem Bogen nach unten sausen ließ, verlieh Taurics Verzweiflung ihm genug Kraft, seine künstliche Hand rechtzeitig hochzureißen.
Funken stoben, als mit einem lauten Klirren Metall auf Metall prallte. Der Abscheu spornte Taurics Kräfte an, er schloss die Finger um die Klinge, drehte sie und zerbrach sie in zwei Teile. Crolas starrte ihn in einer Mischung aus Überraschung und Wut auf die Waffe, setzte seinen Angriff jedoch fort und versetzte Tauric mit der zerbrochenen Klinge einen schmerzhaften Hieb gegen die Schulter. Die Lederrüstung fing zwar die größte Wucht des Schlages ab, aber der Schmerz betäubte ihn dennoch beinahe. Halbbewusstlos sank er auf die Stufen.
Er hörte die besorgten Schreie seiner Gefolgsleute nicht, die hastig einen Kreis um ihn bildeten, sondern seine Sinne wurden von Schatten überschwemmt, die ihn irgendwie unter der Oberfläche der Welt hielten, ihn aber dennoch vor dem Versinken in das schwarze Nichts bewahrte. Und er war nicht allein. Eine andere Existenz war da, fließend und durchdringend …
Oh, mein närrischer Sohn …
Plötzlich roch er den schweren Duft von grünem Unterholz …
…
Sohn eines närrischen Sohnes … …
von Erde und Wurzeln, Wald und Farnen …
…
deine Eile ist nicht von Nutzen, und dein Tod ist unnütz. Wissen nützt, Hingabe nützt, Vorbereitung nützt. Höre jetzt und lerne…
Neue Eindrücke strömten auf ihn ein. Er sah sich mit den Händen auf den Rücken gebunden, mit gefesselten Füßen, geknebelt, und mit einem schweren Laken bedeckt.
Dann wurde er Beobachter, er sah einen Pferdekarren, eine dunkle Gasse, eine Gestalt, die sich schwächlich auf dem Karren rührte, halb verborgen, ein schmutziges, geblümtes Kleid, langes, blasses Mädchenhaar…
Tauric, hilf mir… bitte …
Alael! Er fühlte die Essenz ihrer Gedanken, ihr Entsetzen und die Mattigkeit, die ihre Glieder lähmte und an ihrem Verstand zerrte.
»Wo bist
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