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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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verlassen, dann werden sie nicht aufgehalten. Falls diese Zeitspanne verstreicht und Ihr bleibt, wird meine Armee die Stadt angreifen und jeder von Euch wird erbarmungslos vernichtet.«
    Eisiges Schweigen folgte seinen Worten, und Gilly sah, wie viele der versammelten Krieger ihren Befehlshaber mit unverhülltem Abscheu ansahen. Yasgur drehte sich jedoch wieder zu Tauric herum. »Meine Worte müssen Eurem Befehlshaber genauso ausgerichtet werden. Schwört, dass Ihr sie so wiederholen werdet, wie ich sie ausgesprochen habe.«
    Bevor Tauric antworten konnte, gab es einen Aufruhr unter den Zuschauern und eine hagere Gestalt mit einem einfachen Stab trat vor. Es war einer der beiden Schamanen, die Byrnak zum Heeresflügel abkommandiert hatte. Der Schamane gehörte zum Blutfaust-Clan und hieß Jaroul. Seine knochige Gestalt warf einen langen Schatten, als er mit der gegabelten Spitze seines Stabes auf Yasgur deutete. »Ihr entehrt das Andenken Eures Vaters«, sagte Jaroul. »Der mächtige Hegroun hätte niemals eine so rückgratlose Vereinbarung mit dem Feind…«
    »Wer seid Ihr, dass Ihr es wagt, zu entscheiden, was mein Vater getan oder nicht getan hätte!«, fuhr Yasgur ihn wutentbrannt an und trat auf seinen Ankläger zu. »Ihr vergesst, wer hier Euer Herr ist!« Der Schamane hob den Stab, und die Krieger rückten in großen Trupps vor. Mitten in diesem lärmenden Gewühl wurde Gilly von groben Händen gepackt und zu Boden geworfen, während Yasgur seine Wut hinausschrie und seine Fäuste schwang, bis er von einem Haufen Klingen überwältigt wurde. Yasgurs persönliche Wachen wurden gnadenlos niedergemetzelt, und Ghazrek stürzte unter einem Hagel von Fausthieben zu Boden.
    Tauric und seine Gefährten blieben von dem Tumult verschont, wurden jedoch scharf bewacht und konnten nur hilflos zusehen.
    Schließlich bildete sich aus dem Getümmel eine Art Ordnung. Gilly kniete neben einem zerzausten, aber aufmerksamen Atroc, und Ghazrek, dessen Gesicht geschwollen war und dessen Lippen bluteten. Yasgur kniete einige Schritte von ihnen entfernt, gebunden und geknebelt, während sich die Krieger in einem Halbkreis um ihn versammelten. Gilly fühlte die Hitze ihrer Leiber und nahm den stechenden Gestank von altem, abgestandenen Schweiß wahr. Am deutlichsten fühlbar jedoch war ihre Erwartung.
    Einige Krieger hinter Yasgur rückten zur Seite und machten dem Schamanen Jaroul Platz, der lächelnd vortrat. Hinter ihm stützten zwei kräftige Mogaun den zweiten Schamanen, einen kleinen Mann, der kaum mehr als schmutzstarrende Lumpen trug, die von Tierdärmen zusammengehalten wurde. Der Geist des Mannes war sichtlich verwirrt, der Blick seiner fahlen Augen wanderte ziellos umher, die Augäpfel rollten in ihren Höhlen, seine aschfarbene Haut war mit Schweiß bedeckt, und eine getrocknete Blutspur auf seinem Kinn verriet, dass er sich die Unterlippe aufgebissen hatte. Seine Hände hingen zuckend an seiner Seite, und nur die Fäuste seine Wächter hielten ihn aufrecht. Jaroul beobachtete ihn mit sichtlichem Vergnügen, und riss dann Yasgur nicht gerade sanft den Knebel aus dem Mund.
    »Dein Schicksal lag in deiner eigenen Hand, Prinz«, höhnte er. »Du hättest befehlen können, den Feind zu vernichten. Du jedoch hast dich anders entschieden.«
    Yasgur wollte ihm ins Gesicht speien, aber es sprühten nur weiße Tropfen aus seinem Mund. Jaroul lachte gackernd und drehte sich dann zu dem zweiten Schamanen herum. Er packte mit beiden Händen den Kopf des Mannes, spreizte seine spindeldürren Finger über Ohren und Schläfen und schob dabei mit den Daumen seine Augenlider hoch, während er in die ruhelosen Pupillen starrte. »Alles ist bereit, Meister«, hörte Gilly ihn flüstern. »Die Furche erwartet die Saat.« Er ließ den Kopf des Mannes los, trat zurück und bedeutete den beiden Soldaten, fester zuzupacken. Einen Moment passierte nichts. Dann fingen die Arme des kleinen Schamanen an zu zittern, als fröre er, und dieses Beben griff rasch auf Schultern und Kopf über. Es wurde immer heftiger, bis der ganze Körper des Mannes sich schüttelte, und sein Kopf heftig hin und her und schwankte. Unter seinen Lumpen hob und senkte sich die Brust unter pfeifenden Atemzügen in rascher Geschwindigkeit, während unartikulierte Laute aus seinem verzerrten Mund drangen. Das rötlichgelbe Licht der Fackeln verlieh diesem Anblick schreckliche Eindringlichkeit.
    Als Gilly schon glaubte, der Mann wäre dem Tod geweiht, wurden die Krämpfe zu

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