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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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hatte er mit Alael in einer kleinen Kammer abseits des Saales, in dem die Kranken und Verwundeten untergebracht waren, Speisen und Wasser geteilt. Er erzählte ihr gerade, wie er in der gütigen Obhut des Herzogs von Patrein aufgewachsen war, als ihn ein lautes Krachen im Saal unterbrach. Schreie gellten durch den Raum, und als Alael und er die Kammer verließen, bot sich ihnen ein schrecklicher Anblick.
    In der Luft schwebte die schiefergraue Gestalt einer alten, knochigen Frau mit zerfetzten Gewändern, von deren schmutzverkrusteten Gliedmaßen Staub herabrieselte, als sie den Waffenmeister und ein halbes Dutzend Jäger Kinder angriff.
    Plötzlich fiel der Blick des Waffenmeisters auf die beiden Jugendlichen. »Lauft!«, brüllte er. »Sofort, rette sie … Versteckt euch!«
    Im gleichen Moment stürzte sich die zerlumpte Alte mit ausgebreiteten Armen auf den Waffenmeister. Einer seiner Leute wollte ihn abschirmen und stürzte sich mit dem Speer auf die Erscheinung. Die Waffe zerbrach an ihrer Hüfte. Ihr Mund mit den geschwärzten Zähnen klaffte in einem widerlichen Grinsen, sie packte den Mann am Arm, riss ihn von den Füßen und zerschmetterte seinen Kopf an einer Säule.
    Entsetzt wandten sich Tauric und Alael um, flohen durch eine Tür in einen Korridor und stürmten die erste Treppe hinab, auf die sie stießen. Jetzt kauerten sie eng umschlungen in der dämmrigen Nische und lauschten. Sie hörten nur schwache, gedämpfte Schreie und ein Krachen, das nach zerberstenden Türen klang.
    »Hier können wir nicht bleiben«, murmelte Alael. »Wir müssen ihnen irgendwie helfen.« »Das sollten wir.« Tauric schämte sich seines blinden Entsetzens. »Aber du bist diejenige, welche die Macht besitzt…«
    Sie erwiderte seinen besorgten Blick und legte ihre Hand auf seinen künstlichen Arm. »Ich bedauere, was damals in Oumetra geschehen ist. Ich konnte es nicht beherrschen. Manchmal…« Sie wendete den Blick ab und seufzte. »Manchmal scheint es mich zu steuern, ohne dass ich eine Wahl hätte.« »Woher kommt es?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht, dass es die Niedere Macht ist. Ich brauche nie Gedankengesänge zu beschwören. Vom Brunn-Quell stammt es ganz bestimmt ebenfalls nicht, und es kann auch nicht die Macht der Wurzel sein, obwohl Onkel Volyn meinte, es gäbe gewisse Ähnlichkeiten.« Sie biss sich auf die Lippen. »Ich könnte es möglicherweise wieder durch deinen Arm lenken.«
    »Vielleicht sollten wir vorher ein wenig üben«, schlug Tauric vor.
    »Vielleicht.« Alael versuchte, etwas außerhalb der Nische zu erkennen, und sah sich nach beiden Seiten um. »Lass uns zuerst ein Fenster oder einen Balkon suchen, damit wir sehen, was passiert.« Sie verließen die Nische und schlichen durch einen hohen Gang, dessen Wände mit Reliefs von Tänzen, Prozessionen und Jagden geschmückt waren. Aus einigen Nischen schimmerte goldenes Lampenlicht, in dem sich die Figuren an den Wänden zu bewegen schienen. Kurz darauf endete der Korridor vor einem Durchgang, der sie in eine große Halle führte. Sie sahen sich um. Die Halle maß an ihrer breitesten Stelle etwa dreißig Schritte, und hatte einst als Ballsaal gedient. Die Marmorfliesen auf dem Boden bildeten ein schwarzweißes Muster aus Masken, über dem Balkons mit schmiedeeisernen Brüstungen in Blumen- und Blätterform hingen. Darunter befanden sich verdeckte Nischen, wo Stelldicheins der einen oder anderen Form stattgefunden haben mochten. Auf einigen Baikonen brannten Lampen, in deren schwachem Licht die beiden die zerbrochenen Möbel erkennen konnten, die sich in den Ecken türmten.
    Alael sah Tauric an und deutete schweigend auf eine hohe Empore an der gegenüberliegenden Wand. Er blickte hoch und erkannte hinter einer Tür am Ende des Balkons einen Flecken Nachthimmel. Als er seinen Blick senkte, war Alael bereits unterwegs zu einer eisernen Wendeltreppe, die zu ihrem Ziel führte. Verwirrt folgte er ihr und sah den Steingeist, der aus einem dunklen Gang schwebte, erst im letzten Moment.
    Vor ihm schrie Alael entsetzt auf und blieb wie angewurzelt stehen. Es war die zurückgekehrte Gestalt eines bewaffneten Ritters in einer uralten Rüstung. Schwere Eisenlamellen bedeckten den Oberkörper, ein Kettenhemd hing darunter bis zu seinen Knien, und seinen Kopf verhüllte ein Helm, hinter dessen schmalen Augenschlitzen grünliches Licht glühte. Wie die Alte im Krankensaal schimmerte auch der Ritter von Kopf bis Fuß in Grau und war mit Schmutz und

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