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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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mehr Spiegel und stürzte Statuen von ihren Sockeln.
    Das Ende kam, als das eherne Ungetüm gegen einen Vorsprung prallte und auseinanderbrach. Gefangen in einem Netz aus weißen Ranken, sanken die einzelnen Bruchstücke nacheinander zu Boden. Die aufgestaute Anspannung in Tauric ließ nach, und ihm schwindelte. Weiße Ranken auf dem Boden wanden sich langsam um die Statue eines jungen Falkners, die plötzlich vor seinen Augen schmolz und sich in deiner Dampfwolke auflöste.
    Das reicht, Bittsteller. Verlasse diesen Ort und setze deinen Weg fort.
    Die Stimme ließ seinen Schädel vibrieren, und er hob unwillkürlich eine Hand an seinen Kopf. Er wusste nicht, ob diese Stimme dieselbe war, die er bei dem Scharmützel in der Burg von Sejeend vernommen hatte, aber sie steuerte ihn, wie das Ruder ein Boot steuert. Er musste sich gegen ihre Übermacht zur Wehr setzen und sich darauf konzentrieren, die Kontrolle über sich zu behalten. Er hörte Schritte vor sich im Flur. Als er sich umdrehte, sah er eine Gestalt in einer braunen Robe und mit einer Kapuze durch eine Tür treten, die augenblicklich hinter ihm zuschlug. Er klemmte den Mutterkeim unter seinen Arm, lief zu der Tür, die unverschlossen war, und trat in einen schmalen, engen Durchgang. Kleine Räume gingen von beiden Seiten des Flures ab, aber Tauric lief weiter bis zum Ende, wo eine Tür in einen langen, hohen Raum führte. Bücher und Pergamentrollen stapelten sich an einer Wand über die ganze Länge der Kammer, bis auf eine Stelle in Taurics Nähe, wo einige Regale und ihr Inhalt auf einem unordentlichen Haufen lagen. Die Bibliothek verfügte über drei Fenster, in die jeweils dunkle, bemalte Scheiben eingelassen waren. Das einzige Licht jedoch spendete eine Kerze auf einem großen Eisenständer, der von oben bis unten mit Wachsresten verkrustet war. Eine verhüllte Gestalt saß an einem von Büchern und Schriftrollen überquellenden Schreibtisch, und drehte sich erst herum, als Tauric sich näherte. Eine zitternde, mit einem Lappen umwickelte Hand streckte sich ihm mit der offenen Handfläche entgegen.
    »Nicht, bitte … kommt nicht näher …«
    Tauric blieb stehen, und sein Magen krampfte sich beunruhigt zusammen. Der verhüllte Kopf des Mannes und sein Hals waren mit Lappen umwickelt.
    »Im Interesse Eures eigenen Wohlergehens«, fuhr der Mann fort, »ich leide an Gelbbrand, versteht Ihr.« Seine heiseren Worte klangen gebildet und hohl.
    Ekel und Mitleid rangen in Tauric, aber schließlich siegte seine Neugier. »Warum bist du hier? Gehörst du zu Yasgurs Leuten?«
    »Nein, junger Baas. Ich soll im Auftrag der Akolythen über die Bibliothek wachen und alle anderen fernhalten. Ich war einst ein Scholar in dieser Stadt, aber meine Studien haben mich in die Irre geführt.« Die Stimme klang bitter. »Ihr seid fremd in diesem Land. Euer Akzent verrät Süd-Khatris, vielleicht sogar Patrein …«
    Dieser hier ist gefährlich. Ich werde ihn vernichten.
    »Nein!«, rief Tauric und zwang sich, den Mutterkeim unter seinem Arm zu behalten. Er trat rasch von dem kranken Scholar weg. Mit der freien Hand wischte er sich über die Stirn und versuchte, die Hitze zu ignorieren, die seine Gliedmaßen durchströmte. »Vergebt mir«, sagte er zitternd. »Dieses Ding, das ich bei mir habe, hat einen Willen und ein Ziel, das ich nicht erkennen kann, aber ich brauche seinen Schutz und es benötigt mich …« Er lachte verzweifelt. »Jedenfalls scheint es so. Ich weiß nur, dass meine Freunde im obersten Stockwerk gefangen gehalten werden, und ich muss einen Weg dorthin finden, um ihnen zu helfen.«
    Der Scholar nickte unter seiner Kapuze. »Unerkannt sitzt das Unbekannte im Sattel und reitet uns alle«, erwiderte er, als würde er etwas zitieren. Dann deutete er auf das andere Ende der Bibliothek. »Hinter der Tür biegt Ihr in den ersten Gang zu Eurer Linken ein, und nehmt die Wendeltreppe in der Ecke. Sie führt zum Dienstbotenflügel. Von dort gelangt ihr auf dem kürzesten Weg in die oberen Stockwerke«
    »Ich danke Euch.« Tauric neigte respektvoll den Kopf.
    Narr.
    Er antwortete nicht und verließ hastig die Bibliothek. Der Scholar folgte ihm mit dem Blick und blieb eine Weile reglos sitzen. Dann stand er auf und legte gelassen seine Gewänder ab. Die Kapuze und der Umhang flogen achtlos beiseite, und darunter kam ein langer Mantel über einem bestickten Waffenrock zum Vorschein. Als er die Bandagen von den Händen und seinem Kopf wickelte, enthüllte sich ein altes,

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