01 - Schatten der Könige
zwar ebenfalls beiläufig Erlösung versprochen, schien jedoch nur Augen und Ohren für Seftal zu haben.
»Sag mir, was du weißt«, forderte der Alte.
Coireg berichtete alles, was zwischen ihm und seinem Bruder vorgefallen war und schilderte auch ihre kurze Unterhaltung nach dem Kriegsrat.
»Der Junge und seine Ratgeber werden von sechzig Jäger-Kindern eskortiert. Ein Hinterhalt muss sehr sorgfältig geplant werden.«
»Das wird er«, erwiderte Seftal. »Wir werden bereits im Lager des Feindes sein und den Jungen im richtigen Moment ergreifen.« Er lächelte. »Du hast deine Sache gut gemacht, Coireg. Dein Platz im Kommenden Reich ist gesichert.«
»Und meine Träume?«
»Sie werden bald ruhiger und sorglos sein«, beschwichtigte ihn Seftal. »Alles wird neu und süß sein, und du wirst über große Macht verfügen.«
Coireg atmete tief, als ihm die Tränen in die Augen traten. »Als ich das erste Mal mit ihm gesprochen habe … Als er sagte, was er mir antun wollte, wäre ich beinahe weggelaufen. Aber ich habe mich ihm gestellt, das habe ich wirklich getan.« Er schüttelte den Kopf. »Ohne den Schluck Klauenbuschsamen, den du mir gegeben hast, hätte ich es sicher nicht durchgestanden. Selbst jetzt spüre ich, wie ich schwächer werde. Vielleicht könnte ich ja noch einen Schluck bekommen, um den Rest des Tages zu überstehen.«
Seftal schwieg einen Moment, während er in die Wasserschüssel starrte. Coiregs Herz schlug wie ein langsamer, schwerer Hammer in seiner Brust. Als der Ältere nickte, spülte eine Welle der Erleichterung durch Coireg.
»Ja«, sagte Seftal nachdenklich, ohne seinen Blick von der Schüssel zu heben. »Später.«
7
Kein Zufluchtsort im Haus der Schmerzen,
Kein Leben auf einem Baum aus Feuer.
AVALTI, Prophezeiungen
Einen halben Tagesritt und sieben Ligen nördlich von Krusivel band Suviel ihr Pferd an einen Baum in der Nähe eines Hügelkamms und wartete darauf, dass die anderen sie einholten. Sie hatte sich noch vor Tagesanbruch angekleidet. Da enthüllte ihr Ikarno, wie er in der Nacht zuvor Bardow bestürmt hatte, ihm zu erlauben, ihr zwei Gefährten mitzuschicken. Sie hatte ihre Bestürzung über sein Ansinnen verborgen, bis sie den Tempel verlassen und auf dem Weg zum Sitz der Magierzunft war. Auf der Treppe des Holzhauses hatte Bardow sie bereits erwartet. »Das ändert nichts«, sagte er leise und zog sie auf die Seite.
»Aber wenn wir Trevada erreicht haben …«
»Dann sagst du es ihnen.« Er spreizte die Hände. »Was können sie tun? Versuchen, dich von deinem Vorhaben abzuhalten? Nein. Sie werden dir ihre Hilfe anbieten, und du musst entscheiden, ob sie hilfreich sein können.«
Jetzt schüttelte Suviel den Kopf, während sie ihrem Pferd über den Hals strich, das zufrieden an einem Grasbüschel rupfte. Und das nur, weil Ikarno um ihre Sicherheit fürchtete. Dabei war sie es doch, die weite Reisen unternommen hatte, während er in Krusivel weilte. Ihre Miene wurde weich, als sie sich an die Stunden vor Morgengrauen erinnerte. Sie waren beide nicht mehr jung, aber sie hatten sich mit einer Intensität geliebt, die sie an ihre ersten Nächte vor fünf Jahren erinnerte. An der Hingabe, mit der Ikarno ihren Körper gestreichelt und liebkost hatte, spürte sie, wie sehr er um sie fürchtete, und dass er sich so vollkommen wie möglich an sie erinnern wollte. Dasselbe empfand sie für ihn. Vergangene Nacht war sie alles gewesen, was er wollte, und er war alles für sie.
Dumpfer Hufschlag veranlasste sie, aufzublicken. Keren ritt auf einem Apfelschimmel heran, und ihre Miene verriet Suviel, dass sie schlechte Laune hatte.
In dem Moment tauchte in einigem Abstand Gilly Cordale auf dem von Büschen gesäumten Passweg auf. Der untersetzte Händler lächelte bedauernd, ohne Keren aus den Augen zu lassen, und Suviel runzelte die Stirn.
»Gib es Probleme?«, fragte sie Keren, als diese ihr Ross neben ihr zügelte.
Die Schwertkämpferin blickte kurz zu dem Händler zurück und seufzte. »Keine, mit denen ich nicht fertig würde«, gab sie ruhig zurück.
»Reitet voraus«, befahl Suviel. »Aber bleibt in Sichtweite.« Keren nickte und trieb ihr Pferd die andere Seite der Erhebung hinab. Suviel wartete, bis Gilly sie erreichte und ritt dann neben ihm weiter. »Ich glaube nicht, dass sie interessiert ist, Gilly.« »Ich fürchte, Ihr habt recht«, erwiderte er. »Vorläufig jedenfalls.«
Sie bedachte ihn mit einem spöttischen Blick. »Ihr erwartet eine Veränderung ihrer
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