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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Einstellung?« Der Händler neigte nachdenklich den Kopf. »Bei der Eröffnung erscheint eine Verhandlung häufig aussichtslos. Im Moment hält sie mich für einen Bauern mit schlechten Manieren, aber im Lauf der Zeit werde ich beiläufig meine Qualitäten zum Vorschein bringen. Mut, Verständnis, Herzlichkeit und ein liebevolles Wesen. Nach und nach werden diese Einblicke in mein Inneres sie faszinieren und schließlich«, er grinste, »werden unsere … Verhandlungen einen befriedigenden Abschluss finden.« Suviel musterte ihn erstaunt. In den zwei Jahren, seit sie ihn das erste Mal getroffen hatte, gelang es Gilly Cordale immer wieder, sie zu verblüffen. »Ich glaube, Ihr unterschätzt ihr Vermögen, Eure kleine Darbietung zu durchschauen.«
    Theatralisch legte er die Hand auf seine Brust. »Wahrlich, Eure Worte verletzen mich. Woher wollt Ihr wissen, dass sich unter meinem harschen Äußeren nicht eine edle Seele verbirgt?« »Ach, Ihr behauptet, es gäbe tatsächlich mehr an Euch als das, was augenfällig ist?« Er lachte leise und hob mahnend einen Finger. »Gute Frau, seid vorsichtig. Sonst beziehe ich Euch vielleicht in meine kleine Vorstellung ein.« Er gab seinem Pferd die Sporen und ritt ein Stück voraus, während Suviel ihm verwirrt nachschaute.
    Sie ließen die hohen gezackten Gipfel des Rukang-Massivs hinter sich, und das Vorgebirge wurde allmählich bewaldeter, während sie auf dem Karrenweg Weiterritten, bis er sich senkte und in einer schmalen Schlucht mündete. Statt dem Weg zu folgen, führte Suviel sie jedoch auf einen Zugewucherten Pfad, der nach Nordosten führte. Er verlief parallel zu Gronanvel, dem gewaltigen Tal, das hinter dieser Schlucht lag. Nachdem sie einige Stunden nur langsam vorangekommen waren, erreichten sie das Ufer des Errain, einem der Flüsse, welche die Seen an der Flanke Gronanvels miteinander verbanden. Das Wasser des Errain war flach und leicht zu überqueren. Als sie auf der anderen Seite den Schutz der Bäume erreichten, war es beinahe Abend. Suviel schlug vor, einen Lagerplatz zu suchen. Die anderen stimmten ihr müde zu.
    Es dämmerte bereits, als sie an eine kleine Lichtung in einem Wäldchen aus Quastenbäumen gelangten, deren hängende Litrilu-Blüten einen zarten Duft verströmten. Unsichtbare Waldgeschöpfe flüchteten ins Unterholz, als sie sich näherten. Gilly stieg ab und entzündete eine Fackel, und ein Paar winziger Bullechsen ließ eine Mahlzeit aus Moos auf einem großen Felsbrocken im Stich und tauchte ebenfalls im Dickicht unter. Suviel und Keren wollten gerade absteigen, als eine kleine Gestalt hinter dem Felsen hervorsprang und über die Lichtung an Gilly vorbeirannte. Der Händler reagierte gedankenschnell und erwischte den Fremden am Arm. Es war noch ein Kind, ein Junge. Er schrie, schlug wie wild um sich und versuchte verzweifelt, sich loszureißen. Schließlich wirbelte er herum und biss seinen Häscher in den Arm. Gilly stieß eine Verwünschung aus, ließ die Fackel fallen und schlang den anderen Arm um den Jungen, bis dieser sich nicht mehr rühren konnte.
    »Du verdammtes Gör!«
    »Lasst mich … lasst mich los …!«
    Suviel eilte zu den beiden, während Keren die Fackel vom Boden aufhob. Der Junge erstarrte und riss die Augen vor Angst weit auf, als Suviel sich vor ihn kniete und ihn ansah.
    »Nicht so fest, Gilly, Ihr tut ihm weh. Schon gut, Junge, du bist in Sicherheit.« Sie hob beruhigend die Hände, aber der Junge blickte zur Seite und zitterte am ganzen Körper. Er trug ein Hemd aus grobem Tuch und eine enge Hose, beides zerrissen und schmutzig. Auf einem Hemdsärmel schimmerte ein noch feuchter Blutfleck, und Suviel war sicher, dass er nicht von dem Jungen stammte. Sie runzelte die Stirn und ließ die Hände sinken. »Wie ist dein Name, Junge?«, fragte sie leise. »Gevran«, murmelte er, ohne sie anzusehen.
    »Gevran, du hast Zauberei gesehen, hab ich recht? Aus welchem Dorf kommst du? Was ist passiert?« Suviel achtete nicht auf Gillys überraschten Gesichtsausdruck, als der Junge die Lippen bewegte. Einen Moment drang kein Laut aus seinem Mund, doch dann sprach er. »Sie haben alles niedergebrannt. Sie haben unser Haus angezündet… und … und sie haben gesagt, Die Mutter wäre böse und der Sänger wäre auch böse …« Seine Stimme brach, als er in Schluchzen ausbrach. »Meinen Pap, ihn haben sie auch verbrannt…«
    »Wo, Gevran? Wo?«
    »Hanlo …«
    Suviel richtete sich auf und warf Gilly und Keren einen vielsagenden Blick

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